Kunst und Kultur für Neugierige
divers, barrierearm und aktuell
Programmkurator*in David Bakum (4. Person von rechts)
© Bild: Ronny Heine

Glitches und Blühen im Queer Filmfestival XPOSED
Interview mit David Bakum

Zum 19. Mal zeigt das Queer Film Festival XPOSED vom 29.05. bis 01.06.2025 internationale queere Kurz- und Langfilme – jenseits von Mainstream, Marktlogik und Pinkwashing. David Bakum (er/they) ist seit zwei Jahren Kurator*in bei XPOSED und spricht mit Vic von PINKDOT über das Kuratieren als kollektive Praxis, die Suche nach queeren Zukünften zwischen Glitch und Blüte, und warum ein Festival wie XPOSED gerade jetzt mehr denn je gebraucht wird.

David, wie bist du zum queeren Kino und zum Festival gekommen?

Als queere Person habe ich immer schon versucht, queeres Kino zu finden. Das war in meiner Kindheit und Jugend schwieriger, weil es wenig Zugang und Wissen darüber gab, wo man denn queeres Kino finden kann – vor allem jenseits von Mainstream-Filmen und -Serien. Während meines Theater- und Filmstudiums fing ich an, darüber nachzudenken, irgendwie mit der Arbeit anzufangen, weil es nach dem Studium zu spät für die Filmbranche werden könnte. Dann habe ich einfach Filmfestivals angeschrieben, bei denen ich dachte, dass es passen könnte. XPOSED war eins davon.

XPOSED war dann ein Wow-Moment, weil ich zum ersten Mal nicht so Mainstream-queeres Kino kennenlernte, abseits vom konventionellen Filmkanon. Bei XPOSED ging es viel um experimentelles Kino, Filmessays, Kino von queeren Personen, darunter viele trans Personen, die erzählen oder eben auf der Leinwand sind. Und das war für mich neu und hat mich sofort in den Bann gezogen.

Wie kuratiert ihr das Programm und die queeren Themen?

Wir sind ein Team von fünf kuratierenden Menschen und wir schauen Filme zusammen. Wir bekommen Submissions, Features, Shortfilms und wir recherchieren auch selbst Filme. Wir haben unsere ganz lange Datenbank, wo wir alle Filme einpflegen. Wir schauen auf jeden Fall alle Filme und mindestens ein oder zwei Personen haben einen Film gesehen. In Treffen entscheiden wir dann, welche Filme wir haben möchten und laden dann nach und nach Filme ein. So schauen wir, wie sich die Programme so organisch entwickeln. Manchmal recherchieren wir auch Filme, wo wir schon wissen, dass sie gut passen könnten. Es gab in vergangenen Jahren auch Gastkurator*innen. Manchmal kann es passieren, dass Filme für uns queer sind, aber die Regisseur*innen sich selbst nicht als queer verstehen. Dann müssen wir diskutieren, ob es Filme sind, die wir bei unserem Festival haben möchten und ob die Filme uns oder wir sie wirklich brauchen.

Welche Themen spiegeln sich im Programm von XPOSED 2025 wieder?

Wir versuchen immer in aktuelle queere Filmgeschehnisse weltweit reinzuhorchen. Dieses Jahr hatten wir sehr viel das Motiv Pflanzen, Blumen, Blühen – da haben wir jetzt auch ein Kurzfilmprogramm, das sich darauf fokussiert. Es zeigt die Bedeutung von Bewegungen wie Eco-Feminismus und wie wichtig es queeren Menschen ist, in die Zukunft zu schauen, dass unser Umgang mit Natur auch politisch ist. 

Wie sonst haben wir auch Glitch-Ästhetik und Themen wie Internet, AI und Technik. Viele Queers sehen da Parallelen zu dem, was es für sie heißt, queer zu sein: Wir sind ja auch irgendwie manchmal Glitches in der Gesellschaft. Es geht darum, sich eine Zukunft vorzustellen, sowohl utopisch als auch dystopisch. 

Ansonsten gibt es sehr viele Geschichten von Menschen, die sich trans, nicht-binär oder abseits von Binärem verorten und viel Trans-Futuristik enthalten. Von ein paar Ländern kommt da gerade sehr viel, z.B. von den Philippinen, Brasilien oder Thailand. 

Wiederkehrende Themen sind Migration und was es für queers heißt, ein Zuhause zu haben oder zu finden. Es kann schön sein, wie Queers sich woanders ein neues Leben aufbauen, aber auch traurig, dass es wahrscheinlich immer ein Thema bleiben wird. 

Und gibt es Themen, die unter- und überrepräsentiert sind?

Also ich würde sagen, nichts kann jemals überrepräsentiert sein, aber natürlich gibt es Filme, bei denen wir uns denken, diese Perspektive haben wir schon oft gesehen – z.B. cis, gay und männlich. In unseren Statistiken sind cis- mehr als trans-Perspektiven dabei. Je weiter man im Akronym von LGBT geht, desto weniger Filme gibt es, die wir zu finden scheinen oder die eingereicht werden.

Genauso gibt es viel mehr Submissions aus Europa und Nordamerika als von anderen Kontinenten, weshalb wir da gezielter recherchieren. Wenn wir wissen, was politisch weltweit so vor sich geht, schauen wir auch gezielter in Regionen, die gerade eine Stimme brauchen, auch um sich mit ihren Struggles solidarisch zu zeigen.

Warum brauchen wir in heutigen Zeiten von wachsendem Rechtsruck und Gewalt gegen Queers ein queeres Filmfestival wie XPOSED?

Wir reden bei XPOSED über Filme auf eine Weise, die eh davon ausgeht, dass wir uns eine bessere Zukunft wünschen und vorstellen. Im Team sind wir alle so politisch verortet, dass wir genau wissen, was wir mit unserem Programm machen müssen: Queere Menschen ansprechen und so gut wie möglich versuchen, safer spaces bei unserem Festival zu schaffen.

Wir versuchen mit den Geschichten, den Menschen, die wir willkommen heißen und auch den Kinos, mit denen wir zusammenarbeiten, unsere kleinen Welten hier und da zu schaffen, wo Menschen zumindest für 90 Minuten mal mehr oder weniger sicher fühlen können – was in dieser gewaltvollen Realität gerade schwierig ist. Und mit abnehmenden Fördermitteln. Dadurch fehlen uns z.B. gerade Mittel zur barriereärmeren Zugänglichkeit u.a. für disabled Queers oder Online-Screenings für Personen, die sich bei einem öffentlichen Festival nicht sicher fühlen und von zu Hause die Filme schauen wollen. Alles, was gerade nicht gut läuft für die Gesellschaft wirkt sich besonders auf queere Communities aus. Auch im Team haben wir unterschiedliche queere Realitäten und wir versuchen, untereinander solidarisch zu sein, zu schauen, was wir gerade als Team brauchen und wie wir einander unterstützen können, ohne dass wir z.B. eine Festival-Leitung haben oder ungerecht bezahlt werden.

Wie hat sich queeres Kino in Berlin verändert?

Ich bin erst im Januar nach Berlin gezogen. Berlin war für mich ein Ort, an dem es so vieles an Festivals und Kinos gab, aber ich merke, dass Angebote, Einrichtungen und Institutionen weniger werden. Gerade auch Grassroots-Bewegungen, Räume wie das Sinema Transtopia, die finanziell gekürzt werden oder die gar nicht mehr existieren und versuchen, sich im Schatten wieder etwas aufzubauen. Das ist schon echt beängstigend. Was bedeutet das auch für XPOSED? Wenn es weniger Fördermittel gibt, bedeutet das halt auch mehr emotionale, physische Arbeit für uns. Wir haben trotzdem unser Publikum und wollen weiter existieren.

Welche Rolle spielen queere Filmfestivals wie XPOSED für die Community?

Es ist schön, wenn Menschen durch irgendwelche DIY-Förderanträge oder Mischfinanzierung aus Brasilien und Thailand zu uns kommen und hier ihre Geschichten erzählen können. Das sind richtig berührende und wichtige Momente, wo ich dann merke: Wir sind mehr als nur eine Filmvorstellung. Es geht darum, dass zu XPOSED Menschen kommen und sich auch als Menschen gesehen fühlen – z.B. wenn sie zum ersten Mal eigene Erfahrungen auf dem Screen abgebildet sehen und merken, dass sie über ihr eigenes Denken hinaus existieren. Wir machen das nicht für Ticket-Sales, sondern um mehr und mehr queeren und besonders von Mehrfachdiskriminierung betroffenen Menschen anzubieten, sich sicherer zu fühlen, sich vorzustellen, wer sie sein könnten und einfach Menschen zu treffen, die ähnliches erfahren und denken. 

Vielen Dank David, letzte Frage zum Abschluss: Hast du eine Favorite oder Empfehlung fürs diesjährige XPOSED?

Das Kurzfilmprogramm „As We Bloom“ – aus dem man viel Kraft schöpfen kann, auch wenn es so traurige Themen sind. 

David Bakum (er/they) hat letztes Jahr seinen Master fertig gemacht, lebt seit 2025 in Berlin und arbeitet in der politischen Bildungs- und Menschenrechtsarbeit. Er ist seit vier Jahren bei XPOSED dabei – die ersten zwei Jahre als Volunteer und seitdem als Teil des Kurationsteams.