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Madonna im Leinwandformat

Die Q*INO-Hostessen Rike und Baffi, von Madonnas Comeback-Shows inspiriert, inspizieren die beinah vergessene Filmkarriere der Queen of Pop. Wie gut ist ihr verschlamptes Kinodebüt in „Susan verzweifelt gesucht“ gealtert und wie camp ist das Hollywood-Spektakel „Dick Tracy“ noch lesbar? Haut die einst erfolgreichste Kino-Doku „Im Bett mit Madonna“ noch immer vom Hocker, was mach die Baseball-Komödie „Eine Klasse für sich“ so zeitllos lesbisch, und weswegen jauchzten Schwule einst erfreut bei „Evita“ und ihren Kostümwechseln? Bei der ersten Q*INO-Episode der Saison findet die zwei Cineastinnen kostbare Perlen aus vier Jahrzehnten Madonna-Kino, und freuen sich auf die kalte Jahreszeit im Kinosessel.

PINKDOT empfiehlt auch wärmstens die Schminkespeck-Episode „40 Jahre Madonna“.

Q*INO der queere Film-Podcast auf SPOTIFY

mit Regisseurin Susan Seidelman und Co-Star Rosanna Arquette am Set von SUSAN VERZWEIFELT GESUCHT (1985)
mit Regisseur Warren Beatty (Mitte oben) und dem Gangster-Ensemble am Set von DICK TRACY (1990)
mit ihren Blond-Ambition-Tour-Performern während der Doku-Aufnahmen von IM BETT MIT MADONNA (1991)
mit Co-Star Rosie O'Donnell am Set von Penny Marshalls EINE KLASSE FÜR SICH (1992)
mit Co-Stars Jonathan Price und Antonio Banderas während der Soundtrack-Aufnahmen von EVITA (1996)

Transkript des Podcasts

Baffi: Willkommen bei Q*INO - wir gucken queere Filme, wir gucken Filme queer, mit Rike und Baffi. Wir haben uns ja seit Sommer nicht mehr gehört, zuletzt war der wundervolle Michel op den Platz zu Gast, wir haben über die queere Lesbarkeit von Loriot gesprochen und dann haben wir eine Sommerpause gemacht. Rike, die Sommerpause ist vorbei, es ist kalt, meine Heizung ist kaputt, in Berlin schneit es. Wie geht's dir?

Rike: Mir geht's ganz gut. Ich habe den Heizkissen an, ansonsten zweite Corona-Infektion geschafft, schönen Urlaub gehabt. Was soll man sagen?

Baffi: Was unser Herz derzeit erwärmt ist, ich muss es sagen als homosexuelle Person, Madonna. Die macht gerade ihre erste Greatest-Hits-Tournee, also ohne neue Songs im Koffer reist sie um die Welt und spielt 40 Hits aus 40 Jahren. Wie hältst du es denn mit Madonna, was ist denn deine Haltung zu ihr?

Rike: Ich bin ja wieder die kleine Grantige, die immer große Hypes nicht verstehen kann. Aber da ich mich im Rahmen dieses Podcasts mehr mit ihr beschäftigt habe, ich check sie langsam. Und vor allem bin ich jetzt, weil sich so viele über ihre OPs lustig machen und wie sie sich da auf TikTok benimmt, ihre größte Verfechterin: Weil keine Frau irgendwas muss, erst recht nicht Madonna, die sich echt den Arsch aufgerissen hat. Für mich gehört Madonna einfach dazu. Ich hab lange nicht gecheckt, was sie verändert hat und wofür sie ihre Stimme benutzt hat und was für eine krasse Aktivistin sie ist.

Baffi: Wir machen den Podcast Q*INO für unser tolles Projekt PinkDot, das aber auch einen anderen Podcast produziert, und zwar SCHMINKESPECK von der Travestie für Deutschland. Da kam ja gerade die Episode über 40 Jahre Madonna raus, und was in zwei Stunden überhaupt nicht besprochen wurde, ist ihre Filmkarriere. Wenn man heute an Madonna denkt, denkt ja niemand mehr an Kinofilme, aber sie hat ja allein in den ersten zehn Jahren ihrer Karriere auch zehn Hauptrollen gespielt in und nebenbei noch Theater gespielt und Dokumentationen produziert und ganz viele Soundtracks rausgebracht. Sie war faktisch auf der Leinwand viel produktiver als im Plattenstudio, was gerne vergessen wird. Hast du denn damals in deiner Jugend Madonna-Filme gesehen oder hast du sie wahrgenommen? Ich meine, die Kinoplakate hingen ja überall rum.

Rike: Ich hab auf alle Fälle Silvester in fremden Betten gesehen, Evita natürlich, und dieser unfassbar schlechte Film mit ihrem Ex-Mann Guy Ritchie, Stürmische Liebe, der so problematisch war, dass ich seitdem nie wieder bewusst einen Ritchie-Film gesehen habe.

Baffi: Mit 26 Jahren ist Madonna ja innerhalb von wenigen Monaten von einem Nobody zum Popstar geworden, hatte ihren ersten Nummer-Eins-Hit mit like a virgin und nur drei Monate später kam sie schon mit ihrer ersten Hauptrolle ins Kino. Erzähl mal, worum geht es in Susan verzweifelt gesucht?

Rike: Rosanna Arquette spielt eine gelangweilte Hausfrau names Roberta auf Long Island, die immer wieder eine Anzeige in der Zeitung entdeckt: Susan verzweifelt gesucht. Sie reist dann nach Manhattan, weil sie wissen will, wer sich dahinter verbirgt (natürlich Madonna im Iconic-Look), aber dann wird so eine Freaky Friday-Story daraus, es werden Identitäten getauscht, Susan sucht Roberta und die sucht Susan, und irgendwann geht das in Richtung Ein Goldfisch fällt ins Wasser...

Baffi: Genau, Roberta verliert nach einem Sturz ihr Gedächtnis, alle halten sie für Susan, und eigentlich ist es auch eine Krimi-Komödie. Am Ende ist es trotzdem ein Madonna-Film, man sieht sie im Bett, auf der Straße, in den Clubs. Es geht aber auch um die Lower East Side, die in den frühen Achtzigern so ähnlich war wie Neukölln vor der Pandemie, überall ranzige Clubs und Bars und jeder kennt jeden. Also diese ganze New Yorker Bohème, das ist echt ein interessantes Zeitdokument, denn schon zehn Jahre später war ja alles komplett gentrifiziert. Und das spannende ist, das ist ein feministischer Film: Nicht nur von der Handlung her, wo Roberta viel zu früh geheiratet hat und jetzt plötzlich in dieser Villa sitzt und sich zu Tode langweilt, und Susan als Gegenpol halt ein absoluter Freigeist ist. Der Film wurde zudem von Leora Barish geschrieben, von Susan Seidelman gedreht, von Sarah Pillsbury produziert und drehte sich nur um Frauen. Nicht zu vergessen die großartige Laurie Metcalf als Robertas Schwägerin... Das Erstaunliche ist, dass Männer keine große Rolle in diesem Film spielen, weder Robertas Ehemann noch Susans viele Liebhaber, und als das Filmplakat rauskam, war da auch kein neues Liebespaar zu sehen war, sondern Rosanna Arquette und Madonna, die sich leicht lesbisch anschmachteten. Hast du diese Vibes auch gespürt?

Rike: Auf alle Fälle, Roberta ist total verknallt in Susan, sie ist auf den ersten Blick verliebt. Das ist ja nicht das einzige, auch in dem Fashion-Laden sieht man ja eine Dragqueen oder eine trans Frau, auf jeden Fall eine sehr queere Person. Und auch der Club ist ja sehr queer und gothic. Überhaupt sieht man New York vor der AIDS-Epidemie, oder? Susan Seidelman hat ja später auch Die Teufelin mit Roseanne Barr und Meryl Streep gedreht, auch ein feministisches Werk. Ich finde, das ist auch ein bisschen angelesbelt. Also hetero Frauen, die ein bisschen besessen sind von anderen Frauen. Das gibt mir immer gleich bi-curious Vibes, mit einer Selbstverständlichkeit, die es dann leider viele Jahre nicht mehr gab im Film, vielleicht bis heute immer noch nicht.

Baffi: Und wie findest du Madonnas Performance? Sie muss in dem Film ja funktionieren, und meines Erachtens tut sie das ganz großartig.

Rike: Ich hab bei Madonna immer so das Gefühl, dass sie irgendwie nicht so richtig über sich lachen kann. Und ich finde sie ein bisschen schlecht in dem Film. Vielleicht ist es auch meine Erwartung, dass ich denke, sie spielt sich selbst, vielleicht hab ich sie mir so nicht vorgestellt. Ich weiß nicht, wie ich das erklären kann.

Baffi: Dieser Indie-Film hat das Zehnfache seines Budgets eingespielt im Sommer 1985, umgerechnet über 150 Millionen Dollar. Das ist schon ein Erfolg für so einen kleinen Film von Frauen über Frauen. Heute gibt es das ja gar nicht mehr, all diese erfolgreichen Schauspielerinnen und die Kinogänger, die sich Geschichten über Frauen angucken wollten. Das hat sich leider verändert. Madonna jedenfalls wurde anschließend die Hauptrolle angeboten für Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone, den Bette Midler dann gedreht hat, und auch Blind Date, den Kim Basinger übernahm. Madonna war damals mit Sean Penn, der damals schon ein sehr großer Hollywoodstar war, verheiratet und sie haben einen britischen Indie gedreht, Shanghai Surprise, in dem sie eine Missionarin in China spielt und furchtbare Kritiken bekam. Sie spielte dann am Theater mit Sean Penn in Goose and Tom-Tom, und bekam 1986 die Zusage für Evita, der ja erst zehn Jahre später angedreht wurde. Die nächste Hauptrolle in Who's that Girl war auch ein Flop, und sie lehnte Die Waffen der Frauen, GoodFellas und Die fabelhaften Baker Boys ab, da sie ihr erstes großes Hollywood-Spektakel unterschrieb, und zwar Dick Tracy, eine Comic-Verfilmung über so einen Detektiv in den Dreißigern.

Rike: Ich war damals acht Jahre alt und las die BRAVO, in der Dick Tracy richtig krass beworben wurde, und ich solch eine Angst vor diesem Film hatte. Die Comicfiguren werden ja mit Masken nachgestellt, aus heutiger Sicht ist es natürlich genial, es ist aber auch Body Horror. Der Film hat eine etwas seichte Handlung, aber rein optisch ist der richtig gut. Ich bin ja auch so eine Soundtrack-Maus, und die Musik von Danny Elfman ist so geil: Dick Tracy denkt nach, dun-dun-duuuun. Warren Beatty war der Regisseur, ne?

Baffi: Ja, und er hat auch die Hauptrolle gespielt. Ich weiß gar nicht, ob die Leute das wissen, aber der war ja das Sexsymbol der Sechziger, hat dann in den Siebzigern angefangen, als Filmemacher so viele großartige Filme zu drehen, und bekam in den Achtzigern seinen Regie-Oscar. Und Dick Tracy wollte er in einem Comic-Look drehen, also in 2D mit riesigen Bühnenbauten, alles nur in fünf Farben, und die Charaktere waren auch in 2d angelegt und eben nicht dreidimensional. Und ich fand, da hat Madonna wunderbar reingepasst als die Femme fatale. Sie spielte eine Barsängerin, die mit den Mafia-Bossen zu tun hat, vor allen Dingen mit Al Pacino und Dustin Hoffman. Große Kinokunst, aber natürlich war es so konsequent seicht wie ein Comic.

Rike: Ich erinnere mich trotzdem, dass damals schon die Kritiken die Handlung bemängelten. Man darf natürlich nicht vergessen, dass Comics als Serie erscheinen und nicht alles in einen Film passt. Und man merkt auch, dass der Regisseur in Madonna verliebt war, auch wenn er sie später verlassen hat für Annette Bening. Schon die Handlung war doch ein Omen: Ich find dich ja ganz süß, aber ich nehme die andere, die Bodenständige mit den dunklen Haaren. Madonna sah natürlich super aus, aber ich fand ihre Performance auch hier wieder... so zögerlich?

Baffi: Vielleicht ist es ihre Art, vorher einen Gedanken oder einen bösen Einzeiler noch mal durch den Mund zu lutschen, bevor sie ihn ausspuckt? Kann auch sexy sein. Vor allen Dingen schwule Männer, als auch Drag-Queens, als auch queere Personen fanden damals und vielleicht auch heute noch, dass Madonna halt eine Erscheinung ist. Also Dick Tracy hat eine kleine Freundin, ein liebes Mädchen, ein bisschen blass im Gesicht, die Frau fürs Herz. Und Madonna trägt halt ihr platinblondes Haar wie eine Krone. Sie trägt ihre Kleider wie Unterwäsche. Sie trägt ihr Make-up wie eine Waffe. Sie ist ja eine hochstilisierte Fantasie. Also so eine Frau siehst du ja nicht bei Netto hinter der Kasse sitzen. Und das ist für mich halt auch immer als schwuler Mann so faszinierend.

Rike: Dick Tracy und Madonnas ganzer Look ist halt auch camp. Und auch, wenn ich das Wort hasse, ist Madonna halt auch authentisch als diese aufgetakelte Nachtclub-Sängerin, und ich glaube, damit können sich viele Queers identifizieren. Madonna steht ja auch für Dranbleiben, Durchkämpfen, Man-Selbst-Sein, man hat eh keine andere Wahl.

Baffi: Richtig, wenn man an Drag-Queens denkt: Das sind ja auch nur blasse H&M-Verkäufer. Aber wenn die sich das Make-up anschmieren, in Kostüme zwängen, die Haare hochtopieren und sich boshafte Augenbrauen raufklieren, erst dann sind die ja authentisch. Auch Madonna kommt ja aus bescheidenen Verhältnissen, war das älteste Mädchen von acht Geschwistern, schon alles sehr farblos. Und dann kam sie nach New York und traf diese ganzen aufregenden Menschen, und das wollte sie auch sein. Madonna war halt nie das Mädchen von nebenan, sie ist eine so überproduzierte Person, und das hat Warren Beatty ja auch begriffen und sie deshalb als diese Sirene besetzt.

Rike: Da frag ich mich dann aber auch: Ist Madonna als „Madonna“ engagiert worden? Und wäre sie nicht der Megastar, würde ich den Film dann anders sehen? Sind die Filme durch Madonna vielleicht auch das, was sie sind? Ich glaube, gerade bei Susan und Dick Tracy hätte das keine andere als Madonna spielen können. Ich war während des Films auch kurz  in sie verknallt, und ich kenne einige Frauen, die auch mit ihr rumgemacht hätten, obwohl die wirklich stock-hetero sind. Madonna ist schon irgendwie eine Urgewalt, hat Warren Beatty dann schon gut erkannt, ne?

Baffi: Sie hatte ein heiße Affäre mit Warren Beatty für eineinhalb Jahre, also während der gesamten Filmproduktion, und das war dann auch ein riesengroßer Erfolg: Umgerechnet hat Dick Tracy über 400 Millionen Dollar eingespielt, wurde der erfolgreichste Kinostart für Disney und gehörte 1990 zu den zehn erfolgreichsten Filmen des Jahres. Madonna hat es als Leading Lady geschafft, wahrgenommen zu werden, und dafür auch ordentliche Kritiken zu bekommen.

Es gehört aber auch zu Madonnas Persönlichkeit, die Hand zu beißen, die einen füttert. Sie sang bei den Oscars 1991 den Tracy-Song, der auch gewann, und schon zwei Monate später fuhr sie zum Filmfestival nach Cannes: Eben hatte ihre „Blond Ambition Tour“ für viele Skandale gesorgt, die hat sie von dem jungen Dokumentarfilmer Alek Keshishian begleiten lassen, und nun wird Im Bett mit Madonna zur kommerziell erfolgreichsten Doku in der Kinogeschichte.

Rike: Man erfährt hier ein bisschen, wie Madonna früher war (welch Überraschung: Sie war schon immer ein eiskaltes Luder, in der besten Art). Mir wird im Nachhinein auch echt bewusst, wie sehr sie die Neunziger geprägt hat mit Bomberjacke, Radlerhose, großen Ketten. Als ich diesen Film gesehen habe, habe ich beschlossen, unbedingt zu ihrem Konzert zu gehen. Jetzt verstehe ich Madonna auch besser, und auch Madonna-Fans weil man auch ein erkennt, warum sie so eine Ikone ist. Du magst den Film ja sehr gern, oder?

Baffi: Der kam 1991 raus, da war ich 13 Jahre, also so ein Schwuler in-the-Making. Für viele homosexuelle Männer in meinem Alter ist das auch einfach ein Erweckungserlebnis, weil diese Doku natürlich Madonna als Künstlerin zeigt, aber sie umgab sich auch mit wahnsinnig vielen queeren Menschen. Also wir sehen da ihre lesbische BFF Sandra Bernard, sie geht auf eine Party zu Pedro Almodóvar, schon damals ein wichtiger und offen schwuler Regisseur, und sie war umgeben von sieben Tänzern, das waren überwiegend mega Tunten. Das war schon krass für mich zu sehen, wie die so ganz ungeniert rumschwuchtelten, wie sie auf einen CSD gingen, wie sie mit Drag Queens rumschallerten. So was hatte ich damals nie gesehen, und ich glaube, niemand hat das je gesehen auf der großen Leinwand. Also das war wirklich ein ganz wichtiger Moment, und für viele Madonna-Fans ist es halt auch das Neue Testament und wird sehr oft zitiert. Allein die Sichtbarkeit queerer Menschen, dazu waren die meisten davon Schwarz oder Latinos, und dies war eine Alternative zu dem kleinen Leben, das wir selber führten. Ein Ort, an dem man sich selber gerne hingebeamt hätte, und viele haben es ja dann später auch gemacht als Erwachsene.

Rike: Drei ihrer Tänzer haben sie ein Jahr später ja verklagt wegen Zurschaustellung ihres Privatlebens im Film...

Baffi: Genau, was ich so gefeiert habe, war denen halt nicht recht. Man sieht, wie Männer Männer küssen - auf der großen Leinwand! Die waren alle noch in ihren frühen Zwanzigern und noch nicht out vor ihren Eltern zu einer Zeit, als Homosexualität und AIDS noch synonym genannt wurden. All das zu zeigen war Madonna wichtig; es wäre trotzdem lieb gewesen, wenn sie die Tänzer vorher gefragt hätte.

Rike: Das ist halt die Sache. Die werden Verträge unterschrieben haben, aber denen war das bestimmt nicht klar, die waren ja blutjung. Die hatten eben noch in kleinen Ballrooms in Harlem getanzt, und plötzlich gehen die mit Madonna auf Weltjournee, da bist du ja auf einem High und machst super viel einfach mit, und plötzlich wirst du vor der ganzen Welt geoutet. Die Tänzer gehen auf den New York Pride, und der eine heterosexuelle Tänzer Oliver Crumes redet voll schlecht darüber, auch wenn ihm das später sicher leid tat. Wann anders spielen die dann „Wahrheit oder Tat“, bei der Madonna an einer Flasche zeigt, wie sie blasen kann, und Oliver steht dann auf und geht, weil ihm das zu viel ist. Das ist ganz spannend, weil wir gerade die Vorwürfe gegen Lizzo hörten, auch wenn die Sachen noch viel expliziter sind, aber im Grunde ähnlich, es ist echt eine Grabwanderung: Kannst du so sein, wie du bist, oder kannst du ab einem gewissen Grad nicht mehr Nein sagen? Da passieren echt Sachen, wo ich im Nachhinein dachte: Wow, ich kann echt verstehen, warum die das nicht veröffentlicht sehen wollten. Der Film ist absolut stilprägend, aber was da so passiert ist, ist teilweise höchst problematisch.

Baffi: Und 25 Jahre später kam dann ja Strike a Pose raus, quasi die Doku über die Doku, wo die Tänzer wieder zusammen kamen als inzwischen ältere Herren.

Rike: Der Film erzählt von deren Leben nach der Tour, und nach Klage, ich hab den damals auf der Berlinale gesehen. Das war so cool, da war ich auch so richtig Fangirl. Ich liebe ja auch Balls und Voguing, und ich finde, die beiden Filme sollten zusammen gesehen werden.

Baffi: Das Spannende bei Strike A Pose ist ja, dass die Tänzer nicht mehr 22 Jahre sind und Im Bett mit Madonna nun ganz anders einschätzen, wie wichtig das halt war, dass Madonna darauf bestand, queeres Leben darzustellen, was ja vollkommen neu war für den Mainstream und auch ein großer Skandal, bei dem viele Leute gesagt haben: Oh Gott, unsere Kinder müssen wir von Madonna fernhalten. Aber sie haben auch erzählt, dass die Hälfte der Truppe auch HIV-positiv war während der Tournee. Also während Madonna in ihren Shows immer Safer-Sex propagierte und das Stigma von HIV nehmen wollte, war sie umringt von Jungs, die selbst infiziert waren, aber noch nicht out waren. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Zeitdokument, auch weil sie die homophoben Sprüche von Oliver drin gelassen hat, und auch all die Anzüglichkeiten: Da du hast ja völlig recht wenn du Lizzo nennst. Manchen Leuten ist das eben zuviel, die Schwulen und Madonna fanden das wiederum zum Quieken. Da hast du eine eine verdorbene Frau, und dann himmeln Gays die natürlich an.

Rike: Ich weiß, und ich finde das auch toll, auch wenn ich selbst zurückhaltend bei sowas bin. Aber ich sehe das schon auch, wie cool das war und was sie gerissen hat. Madonna wurde in Kanada ja beinahe verhaftet für ihre Anstößigkeiten, und sie hat einfach durchgezogen und gesagt: Gut, sollen die mich eben festnehmen, sollen die halt mal sehen... Das ist so geil.

Baffi: Eine der ikonischsten Szenen in Im Bett mit Madonna ist natürlich, als nach ihrem Konzert in Los Angeles all die Hollywood-Stars ins Backstage kommen, auch Kevin Costner, der ja damals der größte Filmstar war. Er sagte auf Nachfrage, dass die Show ganz ok war, und Madonna schmeißt ihn dann raus und steckt sich den Finger in den Hals. Das ist so lustig, weil sie das ja die Hauptrolle in Der Bodyguard gekostet hat, und Costner dann Whitney Houston die Rolle gab.

Madonna schnappte sich dann einen anderen Film, basierend auf einer Story von Kim Wilson, von Penny Marshall gedreht, von Amy Pascal hergestellt, also ein Frauenprojekt randgegefüllt mit Frauenfiguren, und zwar Eine Klasse für sich.

Rike: Ich habe das lange nicht geguckt wegen Geena Davis, ich tu mich schwer mit der. Aber der Film war toll, und das ist Madonnas beste Rolle, weil ich das Gefühl habe, sie wird richtig gesehen. Sie hat diese enge Freundschaft mit Rosie O'Donnell, und kann auch einfach eine lustige Freundin sein. Und sie ist trotzdem ehrgeizig, sie ist promiskoitiv, sie ist eine Teamplayerin, super Rolle.

Baffi: Und auch super erfolgreich, als der Film 1992 ins Kino kam, spielte der umgerechnet 300 Mio. Dollar ein, ist bis heute einer der erfolgreichsten Sportfilme überhaupt und DER erfolgreichste Baseball-Film. Erzählt wird die Geschichte der Rockford Peaches, eines weiblichen Baseball-Teams: Da während des Zweiten Weltkrieges alle Männer an der Front waren und gegen Hitler kämpfen mussten, musste zu Hause die Show weitergehen. Also hat man halt die Mädels genommen, in kurze Röcke gesteckt und so das Stadium vollbekommen. In dem Film geht es natürlich darum, das die Frauen gute Spielerinnen sein wollten.

Rike: Auch Madonna als Filmemacherin waren ihre Werke nie frei von Queerness. Scheinbar hat jede queere Ikone einen queeren Background, ein Team dahinter. Und als ambitionierte junge Frau hätten auch nicht viele andere Leute so jemanden akzeptiert. Ach Madonna, das ist einfach wirklich... Ich habe das Gefühl, wir sind auch einfach so die Generation, wir können uns gar kein Leben ohne Madonna vorstellen. Ihr bringt dann immer irgendwie Musik raus oder dreht wieder irgendein eigenartiges TikTok-Video und so. Die ist halt einfach da und ja, wenn man sich die Mühe macht, auch einfach ihre Filme zu sehen, dann hat die halt auch eine Wirkmacht. Ob jetzt Eine Klasse für sich oder Dick Tracy, da sind echt schon Schätzchen dabei. Coole Frau, ich verstehe, warum ihr Gays die so abfeiert.

Baffi: Ich freue mich jetzt auf die dritte Season von Kino. Wir gucken queere Filme, wir gucken Filme queer. Ich bin der Baffi, das war die Rike, und wir wünschen euch einen schönen Abend.

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