Häufig sind es Herkunftsfamilien, in denen queere Menschen erstmals das Gefühl von Abweisung erleben und Ausschluss erfahren – und es gehören, fern von diesen prägenden Erfahrungen, zur Vita der meisten LGBTIQ+ Personen die selbstgesuchten Wahlfamilien. Hier entstehen seit jeher Wärme, Aufbruch und Emanzipation, und hier werden Stolz und Selbstbehauptung in Bilder und Narrative geformt. Da eben dieses Selbstbildnis oft nur den dominanten und lauten Teil der Queer-Bewegung porträtiert (jung! cis! weiß!), wurden in den vergangenen Jahren die Stimmen lauter, die sich gegen das Unsichbarmachen innerhalb unserer Wahlfamilien stellt. Der Gobelin muss neu gestickt werden, es wird Zeit für einen neuen Soundtrack, ein neues Queer Family Album muss her!
Katie Lee Dunbar arbeitet seit 2009 in Berlin mit Choreografien und Stimmen, mit Worten, Performance und Installationen an der Sichtbarmachung intersektionaler Ausschlüsse und Ungleichheiten, auch innerhalb unserer LGBTIQ+ Communitys. Gemeinsam mit Apricot, dem Berliner Hub für multidisziplinäre Kreative, arbeitete Katie über ein Jahr symbiotisch an einer Neuerzählung queerer Realitäten, die nach einem Aufruf an die Kunstblase auf große Resonanz stieß. Der Prozess, Gesichtern eine Plattform zu bieten, die eher selten in den Archiven des kollektiven Gedächtnisses auftauchen, kann in einem eigenproduzierten Podcast nachempfunden werden, bevor in diesem September die transdisziplinäre Performance-Reihe Queer Family Album startet und im Ballhaus Ost endlich Premiere feiert.
Volume One und Volume Two des langfristig angelegten Festivals legen zu Tage, weswegen ein neues Queer Family Album nötig war: Als „Track One“ erwartet das Publikum das satirische Stück She Shanty von Yvonne Sembene. Die ostdeutsche Künstlerin mit senegalesischem Background umschifft tradierte Narrative von Geschlecht und unterkomplexe Stereotype zu Sexualität, ohne sich den Humor nehmen zu lassen. Um starre Definitionen für fluide Realitäten dreht es sich auch in „Track Two“ namens Pass This on, gestaltet von KAy Garnellen: Der französische Wahlberliner reflektiert in seiner dystopischen Multimedia-Performance die Stationen von Transition über das Altern bis hin zu Einsamkeit inmitten eines queeren Utopia. Dass bei allem Hedonismus und Revoltieren auch Fragen zu Rassismus und Isolation nicht ausgeklammert werden können, wird an diesen zwei Kapiteln offenbar.
Nach dem Kick-off im Ballhaus Ost ist übrigens das Queer Family Album, Vol. 2 in Planung, das 2025 in den Sophiensælen uraufgeführt wird mit Performances von anonymous, Juliana Piquero, Joy Mariama Smith and Dylan Spencer-Davidson.
PINKDOT kann es kaum erwarten, dieses großartige Projekt endlich zu sehen.
Welttpremiere: Queer Family Album, Vol. 1Track I: She Shanty von Yvonne Sembene (30 Min)Track II: Pass This on von KAy Garnellen (45 Min)
7. und 8. September 2024 um 20 UhrBallhaus Ost | Pappelallee 15 | 10437 Prenzlauer BergTickets unter BallhausOst.de
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