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Fabian Grischkat und Benjamin Teske
#interview #community | Benjamin Teske

Wir holen den „Stolzmonat“ zurück

Interview mit Fabian Grischkat und Benjamin Teske über ihre Kampagne

Seit 2013 führen rechtsradikale Seiten eine Kampagne gegen den Pride Month, indem sie ab dem ersten Juni einfordern, das Deutschein zu feiern. Der sogenannte „Stolzmonat“ wurde geboren. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat ihn nun am 8. Juli 2024 als verfassungsfeindlich eingestuft. Der queere Aktivist Fabian Grischkat hat sich im Juni 2024 den Begriff schützen lassen und eine Spendenaktion gestartet: T-Shirts und Sticker mit historischen LGBTIQA+ Aktivist*innen bedruckt werden verkauft und Spenden für die Magnus-Hirschfeld-Stiftung gesammelt. Begleitet wird das Ganze von einem Spot des Berliner Regisseurs Benjamin Teske. PINKDOT-Redakteurin Friederike Suckert traf die beiden schon im Juni zum Gespräch zum Deeptalk über deutsche Symbolik, den Verfassungsschutz und Hass im Netz.

(Friede)Rike: Wie gut ist eure Aktion angelaufen? Scheinbar ja gut. 
Fabian: Ja, definitiv. Ich habe mich gefragt, wie aktivistische Kampagnen messbar werden und so bin ich auf die Säulen gekommen. Um kapitalistisch zu beginnen: Die Verkaufszahlen sind gut. Nach acht Stunden war die erste Auflage der Sticker weg und wir haben sie dreimal nachbestellt und dann gestoppt, weil wir auch möchten, dass die Shirts sich verkaufen. Wir bieten diese Sticker nur noch als Bundles an, aber wir werden wahrscheinlich wieder nachordern. Das haben wir massiv unterschätzt. Wir haben ja schon beim ersten Schlag 5500 Sticker bestellt. Die waren fast alle nach 8-10 Stunden weg. Crazy und mega cool. Dadurch generieren wir Spenden und die Summe ist bis jetzt recht stolz, das kann sich sehen lassen. Und zugleich haben wir natürlich auch ein riesiges mediales Echo erzeugen können. Das würde ich auch als Erfolg werten, wenn man jetzt „Stolzmonat“ bei Google eingibt, dann kommen wir und nicht die Rechten. Und da es vielleicht diese dritte Säule des Erfolgs ist: Es stört sie wirklich. Nicht, dass wir damit irgendjemanden von denen reden. Da besteht sicher auch kein großes Interesse. Aber ich spüre das in deren Kommunikation. Sie sind vorsichtiger geworden. Ich glaube, die wissen, dass sie beobachtet werden. Eben nicht nur von uns, sondern auch von allen anderen Journalist*innen, die jetzt immer gucken, was machen die eigentlich da. Sie sind auf jeden Fall auch gemäßigter, als ich sie noch vor einem Jahr wahrgenommen habe. Sie überlegen sich dreimal, wenn sie einen Tweet an mich adressieren, welches Adjektiv sie davor setzen.

R: Ich hätte gedacht, da wird eine riesige Hasswelle losgetreten. Oder dass du Hass sicherlich schon gewöhnt bist im Internet. Aber du sagst, das ist jetzt gerade nicht so und kippt eher?
F: Ich weiß nicht, Benjamin, hast du eigentlich irgendwas abbekommen? Ist das auch auf dich gegangen oder haben sie dich nicht gefunden? 
Benjamin: Wir sind ja alle sehr leicht da zu finden. Selbst Menschen, die sich nicht zu dem Spot verlinken lassen haben. Ich habe schon damit gerechnet, dass es mehr blöde Kommentare gibt, aber gar nichts bis jetzt. Toi, toi, toi! Ich bin nicht auf X (Twitter) aktiv und das ist das Moloch und die Hölle. Instagram ist ja so ein bisschen Glücksbärchiland im Gegensatz. Als es ein paar Tage vorher geleakt wurde, war ich wirklich einen Tag lang nur auf X (Twitter) unterwegs und musste mir das alles geben. Mein Vorteil ist vielleicht auch, dass ich dort nicht mehr aktiv bin. 
F: Auch mein Account ist schon länger privat geschaltet. Ich biete auch nicht so viele andere Angriffsflächen. Und doch gab es da natürlich, wenn man meinen Namen eingibt, so viele Tweets. Auch fiese, aber bisher eigentlich nichts, wo ich sage, das ist justiziabel, weil da gilt für mich auch eine Null-Toleranz-Grenze. Die können natürlich sagen, ich sehe irgendwie blöd aus oder meine Stimme ist nervig. Meinetwegen sollen sie Verschwörungstheorien in den Raum stellen, dass ich vom Staat gekauft bin, aber wenn es in so einem volksverhetzenden Bereich geht, dann bringe ich es zur Anzeige. Aber das bisher habe ich auch noch nicht gesehen und naja, alles andere kennt man ja doch schon als queere Persönlichkeit, die in der Öffentlichkeit steht. Aber wie gesagt, die sind sehr vorsichtig. Einer hat eine Negativpreiskategorie. Die habe ich letzte Woche gewonnen: „Uhrensohn der Woche“. 

R: Wow, das hat sicher wahnsinnig wehgetan.
F: Mich haben auch schon andere Journalist*innen gefragt, ob mich das mitnimmt.. Da sag ich: „Nee, also über das meiste lache ich eigentlich auch“. Ich finde das teilweise auch ein bisschen entspannt. Aber „Uhrensohn der Woche“, ich glaube noch vor ein, zwei Jahren hätte man es vielleicht auch ausgeschrieben. 
B: Ich habe mir noch so Gedanken gemacht, als unsere Kampagne online ging, weil ich dachte, jetzt kriegt Fabian alles ab. Dann habe ich es schon gemerkt, du bist relativ gechillt. 
F: Was die auch schnell gesehen haben, ich bin natürlich auch in einem größeren Management, das wiederum auch zu Bertelsmann gehört. Das imponiert vielleicht auch so ein bisschen, dass man schon sieht, okay, das ist jetzt nicht irgendeine Privatperson, auf die wir uns mal eben schnell stürzen können, sondern der scheint Leute hinter sich zu haben. Könnte ein längerer Fight werden, wenn wir da jetzt reingehen. 

R: Hast du da auch dein Community-Management oder machst du das dann auch alles allein? 
F: Nein, das mache ich alleine, aber meinen Namen lasse ich monitoren.. Aber auf Kommentare antworten, das mache nur ich und da hat auch jetzt niemand Zugriff auf meine Accounts. Nichtsdestotrotz, das Management schaut schon auch mal, was auf welchen Plattformen gerade los ist, auch ein bisschen aus Sorge um ihre Talents. Die haben das mit im Blick. 

R: Wir haben ja bei uns zum Beispiel gar keine Hasskommentare. Da bin ich auch immer erstaunt, da wir nur queer sind. Es gibt Hasskommentare und queerfeindliche Gewalt im Internet. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das ist, weil wir seit fünf Jahren unter dem Radar laufen. Und ich habe auch immer Angst, dass es irgendwann belastend wird. Aber Gott sei Dank haben wir es bisher ohne Hass geschafft. Wir haben ja ziemlich öffentliche Räume mit einer Pride Flag drin. Da habe ich jetzt ein bisschen Schiss. Aber egal. Da sind wir ja alle geeint nach der Europawahl, nicht wahr?
F: Ich glaube, was man dazu gleich abschließend noch sagen kann, also Vorsicht ist immer besser als Nachsicht. Also man soll sich ja nicht selbst zensieren und man soll auch mit der Flagge weiter stolz rausgehen und doch, auch wenn man den CSD betritt, dann vielleicht nicht allein. Und auch mal vorsichtig nach links und rechts gucken und wer kommt da gerade auf einen zu. 

R: Absolut, also ich finde es schockierend und traurig, dass viele TikToker auch Content darüber machen, wie die sich verhalten vor und nach dem CSD und dass die das als  Bildungs-Content aufarbeiten. Das ist vor zehn Jahren einfach anders gewesen. „Jetzt bist du aus der Gruppe raus, jetzt bist du in Gefahr!“ Das ist unsere Realität. Das hat sich in den Europawahlzahlen bestätigt.
Wie bist du darauf gekommen, den „Stolzmonat“ zu kaufen. Ich weiß, dass viele antifaschistische Vereine das auch machen. Zum Beispiel das Hakenkreuz. Das ist ja so ein Trend bei den Nazis, ohne die Vokale. Die Domains und Buchstabenabfolgen sind jetzt patentiert und die können wegen dem Verstoß gegen das Markenrecht verklagt werden. Ist das auch so quasi derselbe Gedanke gewesen? 
F: Die Inspiration kam bestimmt daraus. Ich bin ja wirklich nicht der Erste, der in so einen Bereich geht. Das wäre jetzt vermessen zu behaupten. Und dennoch ist es wichtig, das ein bisschen abzugrenzen, weil unsere Kampagne nicht den Fokus hat, Shops abzumahnen. Das wurde uns anfangs ein bisschen dazugedichtet, als die Markenanmeldung auf X (Twitter) gepostet wurde, bevor wir etwas kommunikativ dazu getan haben. Wir haben die Marke angemeldet, sie ist aktuell nicht gesichert, es wurde bereits Einspruch dagegen eingelegt und dementsprechend ist es auch für uns momentan gar nicht möglich, einen Shop abzumahnen und nach Marken- und Patentrecht wäre das auch gegen die Spielregeln. Man kann sich nicht einfach nur einen Begriff sichern und dann hat man den jahrelang und niemand darf was damit machen. Man muss schon nachweisen, dass man den auch nutzt, weshalb wir den Shop haben. Aber diese Anmeldung dient eigentlich primär dazu, um unsere Kollektion abzusichern, die wir auch in den nächsten Jahren weiter nutzen möchten und ihn dadurch natürlich auch in einem zweiten Schritt vor einer missbräuchlichen Verwendung schützen. Aber eine, wie das so oft auch dann von “Laut gegen Nazis" genannt wird, eine Abmahn-Offensive, die steht bei uns nicht in der Planung. Dafür brauchen wir Ressourcen und auch Zeit. Das würde sich auch wahrscheinlich gar nicht so lohnen wie der Weg, den wir jetzt gerade gehen. Es gibt nur sehr wenige Shops, die überhaupt unter diesem Begriff Produkte verkaufen. Auch diese Shops haben eine relativ geringe Verkaufszahl. Das, was wir uns dann vielleicht durch die Abmahnungen auch da abschöpfen könnten, wäre bei weitem nicht die Summe, die wir jetzt proaktiv generieren durch den Verkauf der Sticker und Shirts. 

R: Das Geld geht an die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, richtig? 
F: Ja, und wir arbeiten mit dem CSD Deutschland e.V. Die supporten uns, aber sind jetzt nicht fester Bestandteil. Die haben wir mit eingeladen bei dem Posting. Aber auch rechtlich haften sie nicht. 
R: Die Darsteller*innen wie Dominique kenne ich vom BBQ Podcast und Bao kenne ich von TikTok. Wie habt ihr euch alle gefunden? 
F: Am besten sagt Benjamin was dazu, aber um vorher den anderen nüchternen Part abzuschließen: Das Zusammensetzen, auch von der Hirschfeld-Stiftung und uns und diese rechtlichen Themen im Hintergrund, das war erstaunlich einfach. Das ging super schnell. Sie sagen natürlich auch nicht nein. Wenn wir sagen, wir machen da was und sammeln Geld für euch, dann muss man da nicht wochenlang mit ihnen debattieren. Das hat alles relativ schnell funktioniert und dann habe ich gemerkt, dass wir das noch nach außen kommunizieren müssen. Im besten Fall vielleicht mit einem coolen Spot. Da war ich ein wenig aufgeschmissen und jetzt kommt Benjamin ins Spiel. 
B: Bevor ich ins Spiel kam, kam erstmal Jonathan Berlin, er ist Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor. Fabian und ich kannten uns vorher nicht. Jonathan hatte mich dann irgendwann angerufen und mir ganz grob davon erzählt, was in Planung ist und ob ich mir das vorstellen könnte. Ich war tatsächlich sofort am Haken und sofort Feuer und Flamme, weil ich die Idee einfach total geil fand. Und dann haben Fabian und ich telefoniert und dann hat er mir direkt im ersten Telefonat auch schon so die ersten Ideen gepitcht und dann haben wir beschlossen uns in Mitte einem Café zu treffen. 
F: Beim Telefonat, weiß ich auch noch, stand ich da auf einer Straße, wo ich dachte, okay, hier kann man gut telefonieren, aber da war eine Kehrmaschine, die die ganze Zeit um mich herum fuhr. Ich habe kaum etwas verstanden. Ich habe die ganze Zeit Telefon geschrieben. Ja, und das brauchen wir bis nächste Woche und das muss so aussehen. 
B: Wir hatten tatsächlich wenig Zeit. Von der Idee bis zur Planung des Spots und Umsetzung waren es 15 Tage. Beim ersten Treffen haben wir wirklich alle Ideen auf den Tisch gepackt, die uns dazu eingefallen sind und haben eine Riesen-Brainstorming-Stunden eingelegt. 
F: Das waren mehrere Stunden. 
B: Ich glaube, der unangenehmste Moment für uns alle war dann, als Fabian mal die deutsche Nationalhymne als Inspiration angefangen hat zu spielen.
F: Ich möchte an dieser Stelle auch ergänzen, wir haben überlegt, wie man so eine deutsche Symbolik in dem Spot aufgreifen könnte. Dann kamen wir auf die Nationalhymne und dann dachte ich einfach mal, um sich das bildlich vorzustellen und zu hören, haue ich die mal raus. Aber in so einem Café in Berlin-Mitte zu sitzen, mit der deutschen Nationalhymne im Hintergrund, ist gewagt. Aber dann kam es auch schon dazu, dass wir uns viele Fragen gestellt haben. Das ist ja eigentlich schade und warum ist das so? 
B: Und ich mag das auch gerne, was ich so noch gelesen habe, Fabian, was du in dem einen oder anderen Interview rüberkam. Also warum sollte man den Rechten z.B. unsere Fahne überlassen oder auch die Nationalhymne und gleichzeitig ist es irgendwie so, als diese Idee kam, ob vielleicht die Nationalhymne Teil des Spots werden könnte, hatte ich ein ungutes Gefühl dabei. 
F: Und dann haben wir auch gemerkt, wie tricky es ist, einen solchen Spot zu kreieren. Auf der einen Seite will man Rechten keine Plattform bieten, auf der anderen Seite will man der queeren Community gerecht werden. Ich fand es auch immer wichtig, dass wir nicht gegen etwas, sondern für etwas sind und das ins Positive ziehen. Wenn man sich den Spot jetzt anguckt, wirkt es irgendwie so lässig und einfach. Aber erst mal darauf zu kommen, haben wir kurz gebraucht. Auch bei der Hymne habe ich mal geguckt, ob es da irgendwelche coolen Hyperpop-Remixes gibt, die vielleicht so ein bisschen die Queerness mit reinbringen. Tatsächlich nicht. Also beziehungsweise das, was es an irgendwelchen EDM-House-Remixes der deutschen Nationalhymne gibt, das ist noch schlimmer als die Nationalhymne an sich. Also da haben sich die Nackenhaare gesträubt und das war dann relativ schnell vom Tisch. 

R: Ich glaube, da gleichzeitig das Sylt-Video aufgetaucht ist. Das hätte ohne euer Zutun echt schief gehen können- Aber die Ideen sind sehr gut. Die Mettbrötchen und so, das ist alles okay. 
B: Wir hatten natürlich noch ein paar mehr deutsche Symboliken am Set. Wir wussten ja auch nicht, was am Ende im Spot landet. Ich glaube, die Mettbrötchen-Idee war von dir, Fabian. Auch mit der Deutschlandflagge da drin. Aber ich finde, es hat sich dann immer so gut ergeben, dass einer eine Idee hatte und die dann nochmal aufgegriffen wurde. Dieses Mettbrötchen, wo dann die Pride-Flagge reingesteckt wird, das finde ich dann wieder so genauso. Nicht dagegen sein, sondern für etwas zeigen und Verbindung schaffen und nicht ins Negative kehren. Ja, die Pride-Flagge gehört zu Deutschland wie Mettbrötchen. 
F: Und ich möchte noch mal schützend hier erwähnen, das war tatsächlich veganes Mett. Wir haben dieses vegane Mett eines großen Händlers genommen, weil man weiß ja auch, dass ich vegan lebe. Da haben schon einige geschrieben, das wäre sonst ein bisschen komisch. 
B: Am Anfang kam gefühlt nur positives Feedback, dann kamen natürlich die rechten Kommentare. Dann ging es plötzlich ganz viel um Mett und ums vegetarisch und vegan sein. Und jetzt sind wir bei der Kirche angekommen. 
F: Wir haben ganz Deutschland in den Kommentaren. 
B: Und ja, letztendlich war es so, dass ich etwas Kultiges schaffen wollte. Da musste ich an Mariah Carey denken, wenn sie immer am 31. Oktober zum 1. November defrostet und dann zur Queen of Christmas wird und dann immer singt „It's tiiiiiime!" singt. Sowas müssen wir eigentlich auch schaffen, dass um Mitternacht die Uhren umspringen und es ist jetzt Stolzmonat für alle queeren Menschen. „It's tiiiiiiiiime!“ 

R: Ich habe „Stolzmonat“ gegoogelt und einer der ersten Beiträge, die einem gezeigt werden von dem rechten Stolzmonat ist ein Countdown bis zum 1. Juni. 
F: Ja, aber wir alle wissen, ohne dass sie es ausspricht, auf welcher Seite Mariah Carey steht. 
B: Was wir an der Idee alle auch mochten, ist, dass es aus der Idee heraus und nicht weil wir es aufgesetzt haben, so divers und vielschichtig geworden ist. Dass wir da auch mit verschiedenen Sprachen spielen, um halt auch zu zeigen, was für eine banale Idee es von den Rechten ist, weil die jetzt glauben, dass man die zwei Wörter ins Deutsche übersetzt, dass sich dadurch dann die Bedeutung verändert. Deswegen mochten wir auch alle dieses Spiel mit den verschiedenen Sprachen und verschiedenen Ländern. 
F: Ich hatte noch eine Idee mit einem Schrebergarten, aber Ben hat mir erstmal geraten, die aufzuheben. Ja, aber da fehlt uns auch ein guter Dialog und jetzt in dem richtigen Spot finde ich, dass das auch sehr sehr sehr gut geworden ist, eben mit den verschiedenen Sprachen. Aber der Schrebergarten ist bei mir immer noch im Hinterkopf.

R: Ich möchte mich jetzt gar nicht einmischen, aber ich finde auch gar keine schlechte Idee, weil sehr oft Dinge in Konkurrenz gestellt werden. Leute, die gendern oder queere Personen, solche Probleme haben die Leute auf dem Land nicht oder Arbeiter*innen haben andere Probleme. Queer sein bedeutet aber nicht zwangsmäßig einen hohen Bildungsgrad oder dass die Leute mehr Geld verdienen, sondern queere Leute haben auch durchaus einen Schrebergarten oder sind Fleischer oder keine Ahnung was. Nicht jede*r hat Bock in Musicals oder in die Oper zu gehen. Deswegen finde ich das auch eine gute Message, egal wo, da ist immer irgendwer queer. Das ist einfach der Durchschnitt. Und dieses Narrativ finde ich immer nervig. “Die auf dem Dorf interessiert doch nicht, ob es trans Frauen gibt.” Aber in irgendeinem Dorf wird es schon eine trans Frau geben. 
F: Das habe ich auch in dem Feedback gesehen, die uns applaudiert haben. Das ging komplett durch die ganze Gesellschaft, also auch hin zu heterosexuellen Menschen und Leuten, die eigentlich überhaupt nichts mit diesem Thema am Hut haben. Die sagen, super Aktion und kann ich total irgendwie fühlen, unterstütze ich. Wir haben dann doch, ohne uns zu sehr loben zu wollen, einen ganz guten Nerv getroffen und eben das ist ja auch die Botschaft. Die Stolzmonatsjünger auf X behaupten immer, dass sie nicht spalten möchten, aber im Endeffekt tun sie genau das und hetzen auch gegen unsere Community. Und wir wollten mal zeigen, dass ja auch beides geht. Und das habe ich ja auch schon, ich glaube, bei T-Online gesagt, kann es meinetwegen samstags in der Deutschlandfahne ins Stadion gehen und ein Fußballspiel gucken. Ich mache das jetzt nicht, aber ist ja vollkommen fein. Und gleichzeitig kann man aber auch sonntags auf die Pride gehen und queere Menschen supporten, eine Regenbogenflagge vom Balkon hängen lassen. Und ich glaube, Deutschland 2024 steht eben auch für diese Dualität. Nicht nur Dualität, also dass wir uns im allgemeinen für Menschen und auch Minderheiten stark machen und dass die einen Teil, queere Menschen, wie aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen, Männer, Kinder, Alte, Junge, alle Teil dieser Gesellschaft sind und geschützt werden. Und ich glaube das stört eben auch das andere rechte Lager, weil genau dieses Deutschland möchten sie ja nicht haben. 

R: Es steht nun mal im Grundgesetz. Außer den queeren Rechten explizit. Alles, was jetzt nach Mannheim verbreitet wird von rechter Seite, das sind Lügen. Sie behaupten, dass Menschen, die den Islam ausleben wollen, gegen deutsche Werte sind. Zur Trauerfeier des getöteten Polizisten Rouven L., der glaube ich sogar Moslem war, wurde ein muslimisches Lied gespielt von der muslimischen Gemeinde in Mannheim. Ich bin überhaupt keine religiöse Person, interessiert mich nicht, aber das ist generell eine nette Geste, weil die sich ja mal wieder abgrenzen müssen von einem Einzeltäter. Wir weißen Deutschen müssen uns nie abgrenzen von Nazi-Anschlägen. Und wenn er dann auch noch Moslem war, ist es ja sogar angebrachter und auch für seine Familie schön. Wir haben Religionsfreiheit. Das, was die Rechten wollen, ist gegen Deutschland. Und deswegen finde ich das ganz gut, wenn das in einem Video mit deutschen Symbolen aufgegriffen wird. Und den Leuten auch mal klar wird, auch wenn wir auf dem queeren Spektrum uns alle ein bisschen schwer tun mit der Flagge und deutschen Werten, weil es ist ja nun mal, wie es ist und wie Deutschland ist. Aber de facto ist unser Grundgesetz und das Land für alle da und alle Symbole sind für alle. Jeder hat das Recht und es ist schön, das mal aufzuzeigen: Ihr seid dagegen, ihr seid nicht die richtigen Deutschen, wir  haben ein Grundgesetz und sogar die Polizei schwört darauf. 
F: Dazu noch eine Ergänzung, auch wegen Mannheim. Einer der Stolzmonat-Initiatoren der rechten Bewegung hat jetzt vor ein paar Tagen auf X gefordert, dass der getötete Polizist in Mannheim einen Stolperstein dort bekommen soll und dass allgemein auch Stolpersteine für deutsche Opfer geben sollte. Ich lasse das mal unkommentiert. Ich glaube, wie geschichtsverdrossen und absurd diese Forderung ist, weiß jeder, der irgendwie nicht jede Geschichtsstunde vielleicht mal geschlafen hat. 

 

 

R: Was soll man dazu sagen? Die drehen halt auch alle durch. Es ist einfach so, die glauben, alles ist nur noch Lügenpresse. Mir hat gestern einer auf TikTok geschrieben, jeden Tag gibt es 800 Massenvergewaltigungen durch Geflüchtete und Migranten. Und dann hab ich um die Quelle gebeten. Und dann sagt er, ich bin nicht dein Papa, kannst du alleine googeln. Und denkst dir, na ja, wenn ich das jetzt google, weiß ich halt ganz genau, was da kommt, was für Kanäle. Von daher finde ich das halt immer gut, sag ich mal, bei dem Stolzmonats-Video halt nicht dagegen zu sein, weil damit provoziert man vielleicht auch Dinge, auf die man auch gar kein Bock hat, für die man auch gar keine Energie hat und irgendwelche Leute, die man eh nur noch schwer erreicht. Und so finde ich es halt ein schönes positives Angebot. 
F: Ja, ich kann dein Gefühl verstehen, das hatte ich ja auch. Also ich würde jetzt auch nicht gleich irgendwie zum Tedi gehen und mir da die ganzen Deutschland-Konfetti-Kanonen holen. Und natürlich auch zu Recht, eben mit einer historischen Verantwortung hat man so ein Aufstoßen, was da erstmal kommt oder so eine Vorsicht, mit der man diesen Symbolen begegnet. Und zugleich aber darf man natürlich auch nicht vergessen, dass das Symbol, dass immer noch unsere Bundesflagge ist und dass die eben heute für ein Deutschland steht, auf das ich auch in irgendeiner Form stolz bin, zumindest auf diese Entwicklungen, auch für queere Menschen. Wir haben ja extra drei historische Personen, unter anderem auch Magnus Hirschfeld, draufgepackt. Ja, auf solche Vordenker und Vordenkerinnen kann man stolz sein und auf keinen Fall darf man eben auch eine Flagge oder auch den Adler nur den Rechten überlassen und das tut dann natürlich, wenn man eher aus einer links orientierten politischen Richtung kommt, in manchen Teilen auch ein bisschen weh. Als wir auf einmal diese 50 Deutschland-Fähnchen z.B. auf diese Mett-Brötchen packten, dachten wir uns auch kurz: „Was mache ich da eigentlich gerade?“ Man versteht unsere Botschaft. Ich glaube, keiner würde uns vorwerfen, wir haben das Lager gewechselt. 
B: Ich würde nur sagen, das finde ich auch so wichtig, zu sagen, das sind auch unsere Mett-Bbrötchen und das ist auch unsere Flagge. Wir neigen ja immer dazu, da zurückzutreten und zu sagen, damit haben wir nichts zu tun. Und vielleicht ist das genauso falsch, dass wir sagen müssen, wir sind da auch in der Verantwortung. Und eigentlich, was ihr beide vorher auch schon gesagt habt, das sind die ganzen Grundrechte, auf die wir stolz sind, auf die die Bundesregierung irgendwann mal gebaut und gegründet wurde. Und unsere Pflicht ist eigentlich, das weiter nach vorne immer zu tragen. 

R: Ist ein komplexes Thema, die Deutschlandflagge ist einfach ein Trigger. Aber ich meine, es geht ja auch um den Stolzmonat, das ist ja von Anfang an fies. 
B: Die Frage, die du vorhin noch gestellt hast, ging auch noch zum Team, was das Cast angeht. Fabian und ich haben uns immer wieder verschiedene Vorschläge gemacht. Am Ende ist alles über persönliche Kontakte entstanden. Wir hatten ja auch keine Zeit. Ich habe mal nach einem Schrebergarten und einer Wohnung gefragt. 

R: Bei Bao finde ich zum Beispiel cool, dass er dabei ist, weil er auf TikTok viel über mentale Gesundheit spricht. Das halte ich auch für ein wichtiges Thema. Dominique kannte ich im Rahmen des Podcasts. Aber das finde ich halt auch super wichtig, weil es auch dazu gehört. Die Struggles querer Menschen sind real. Es ist nicht immer alles ein Pride-Month. Wir haben nicht immer nur Spaß im Strobolicht und alles andere geht uns am Po vorbei. Auch wenn es schön wäre. Aber so ist es nicht. 
F: Wir haben uns sehr um Diversität bemüht. Uns standen ja jetzt auch nicht mal 10.000 Euro zur Verfügung, die wir nur für ein gutes Casting und Darstellende ausgeben können. Und dafür haben wir das gut hinbekommen und ein Ergebnis geschaffen, was sich auch unter diesem Aspekt sehen lässt. 
B: Ich bin mega glücklich. Als ich am Set stand an dem Tag, hat man so gespürt, dass alles zusammen kam, was manchmal zusammenkommen muss in so einem Moment. Richtige Kontakte und Glück gehabt, dass sie Zeit hatten und Bock mitzumachen. Das ist dann so ein Moment, wo man zumindest als Regisseur sehr glücklich am Set steht und sich denkt: so cool. 

R: Man sieht den Spaß, es ist ein richtig positives Ding. Das hätte ja auch anders laufen können. Manchmal ist ja unterschwellig der Frust drin. Ich finde auch, es ist sehr gut geschnitten worden. 
B: Fabian hat es geschnitten. 

R: Gab es denn kritisch Stimmen wegen der Deutschland-Fahne oder so? 
F: Es kam eher Lob, auch lustigerweise von meinen Juso- und SPD-Freunden kam viel Lob, die dann gesagt haben: „Mensch, du wirst ja noch ein richtiger Sozialdemokrat.“ Wenn man das als Lob auffassen will und kann, aber nein, da habe ich mich darüber gefreut und klar aus einem sehr linken, linksextremen Lager, auch einem sehr antideutschen Lager stieß das natürlich auf Ablehnung, aber das waren zwei, drei Privatnachrichten und ich glaube irgendwie ein, zwei Kommentare. Bestimmt gab es deutlich mehr, die sich erst mal gedacht haben, huch, aber jetzt nichts geschrieben oder kommentiert haben. Noch vor zwei Jahren wäre ich nie diesen Schritt gegangen und hätte mich irgendwie mit einer Deutschlandflagge solidarisiert und gesagt, wofür sie eigentlich steht. Sowohl vor als auch nach der Europawahl war mir das dann doch ein Anliegen, mal zu betonen, für was diese Flagge heute steht und dass man da vielleicht also auch mit als ich mich mit 13, 14 politisiert habe, hätte ich das auch nie gedacht. Also mein ganz jüngeres ich, das wäre bestimmt auch enttäuscht gewesen von mir und doch aber glaube ich, ist es die richtige Message und das richtige Zeichen und wir differenzieren ja auch ausreichend genug, also auch wenn man mit mir dann Interviews darüber spricht. Ich kann eine Stunde darüber debattieren, warum auch ein Begriff wie Stolz super schwierig ist und warum Nationalstolz eine Box ist, die ich eigentlich nie öffnen möchte, weil als sie mal geöffnet wurde, immer wenn sie geöffnet wird in diesem Land, geht sie ganz ganz ganz ganz übel aus. Aber eben diese Symboliken dürfen wir nicht dieser Box überlassen und sie da auch irgendwann verschließen. 

R:  Ehrlich gesagt, ich habe das Video viermal geguckt und ich bin da wirklich echt sehr kritisch, ich habe das gar nicht gemerkt. Es steht ja auch niemand mit einer Reichsflagge vorm Bundestag oder so. Von daher... 
F: Ja, und dass jetzt nicht noch wirklich krasse Symboliken gezeigt werden, auch rechte Symboliken, das haben wir auch irgendwo Benjamin zu verdanken. Also weil du ja auch recht schnell gesagt hast, lass uns vielleicht mal von diesem Nazi-Bild lösen und denen auch nicht die Bühne geben und nachher verbreiten wir halt eben da auch noch irgendwelche Codes. Und das kann uns auf die Füße fallen und ich glaube das war auch gut und dass wir das so schnell vom Tisch hatten und bin froh, dass da nicht solche Symboliken auftauchen. Wir stehen für etwas nicht dagegen.

R: Ja, auf alle Fälle und wie gesagt, das ist eh der richtige Weg, weil du in der Diskussion auch keinen Boden mehr finden würdest.

Ich danke Fabian und Ben für das doch sehr intensive Gespräch.

Unterstützt diese großartige Aktion: stolzmonat.net

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