Wer im Glashaus sitzt, sollte sich erinnern, wer den ersten Stein geworfen hat

ein Kommentar von Friederike Suckert

Stonewall feiert sein 54. Jubiläum. Bei den ganzen Pride-Flags auf Colaflaschen und Profilbildern von großen Banken haben einige scheinbar vergessen, was da am 28. Juni 1969 in der Christopher Street geschah. Es war ein Aufstand, der vier Tage andauerte. Kriminalisierte Menschen wehrten sich gegen die ständigen Razzien der Polizei an einem Ort, der für sie ein Schutzraum war. Der war nötig, weil die meisten trans und gender-nichtkonform, Schwarz und Hispanics und dermaßen marginalisiert, dass sie oft obdachlos und/oder Sexworker*innen waren. Das Stonewall Inn wurde von der Mafia betrieben: Diese Mischung und der Wahlkampf ums Bürgermeisteramt sorgten für die Repressalien durch New York City. 

An diesem Abend war es also mal wieder soweit: Die Cops stürmten den Laden. Wer nicht mindestens vier Kleidungsstücke trug, die zu dem zugesprochenen Geschlecht passten, wurde auf die Wache gebracht. Es reichte, die Community hatte genug. Als Butch und Drag King Stormé DeLarverie in das Polizeiauto gebracht wurde, wurde der erste Stein geworfen. Zeitzeug*innen sagen, es war eine Schwarze Drag Queen bzw. trans Frau. Ikone Marsha P. Johnson sagt, sie kam erst später hinzu, weswegen man jetzt von Zazu Nova ausgeht. Die versammelten Personen taten es ihr nach und im Zuge des Aufstandes wurde die Gay Liberation Front gegründet und seitdem wurde viel in der Gleichstellung von queeren Menschen erreicht. 

Erinnern heißt ehren

Viel heißt nicht alles und vor allem nicht für alle. Johnson hat mit ihrer Weggefährtin Silvia Rivera, trans Sexworkerin, ein Netzwerk und Haus für trans Kids geschaffen, um sie von der Straße zu holen. 1970 bekamen sie schon ein Redeverbot auf dem CSD.

Der Hass auf trans Personen steigert sich seit Jahren wieder ins Unermessliche und er ist ein rechter Fahrplan, den TERFs nur allzu gern befolgen. In Melbourne durften sogar Nazis den Hitlergruß auf einer Anti-Trans-Demo zeigen. Trotz der Todesfälle von Malte C. in Münster und Brianna Ghey im englischen Warrington, zeigen sich Menschen aus der Community unsolidarisch gegenüber unseren vulnerabelsten Mitgliedern und bilden Allianzen wie LGB without the T, also Lesben, Schwule und Bisexuelle ohne trans Personen. Aber warum? Weil irgendwelche ausrangierten Fantasy-Autorinnen und Cheffeministinnen den Fiebertraum verbreiten, Männer in Damenkleidung würden auf Frauentoiletten auf Jagd gehen. Natürlich wird der potenzielle Vergewaltiger dafür ins Standesamt gehen für eine Personenstandsänderung. Die sexualisierte Gewalt, die Frauen und Queers im Alltag erleben, wird hier komplett ausgeblendet. Zudem wurde in anderen Ländern das Selbstbestimmungsgesetz schon eingeführt und die Statistiken zeigen, dass an diesen Befürchtungen nichts dran ist.

Schwule Männer wie Twitter-Pöbler Ali Utlu beschweren sich, warum sie immer mit Drag Queens und diesen Leuten mit ihren komischen Pronomen gleichgesetzt werden, sie sind doch selbst „ganz normal“ und wollen damit nichts zu tun haben. Auch für die hab ich schlechte Nachrichten: Ihr könnt nach unten treten, wie ihr wollt. Sind trans und nichtbinäre Menschen weg vom Fenster, seid ihr die nächsten. Da nützen euch eure beigen Polohemden und FDP-Sommerfeste auch nichts mehr und vor allem: keiner wird euch mehr hören und für euch einstehen.

Darum meine Aufforderung: Wenn sie nicht verstehen, dass ihr Steigbügelhalter*innen für Rückwärtsgewandte und Nazis sind, die unsere Rechte angreifen, dann sollten sie auch von CSDs wegbleiben. (Außer in Berlin, da könnt ihr in den Vorstand.) Denn sie haben schlichtweg nicht verstanden, wer als erstes für sie aufstand. Und die Mehrheitsgesellschaft nett um gleiche Rechte zu bitten, hat noch nie zu etwas geführt.