Die Gewinnerin von The Voice Germany 2023 ist offen queer und hat mit ihrem selbst komponiertem Song Glacier Rivers, der ihr Coming Out thematisiert, gewonnen. Das war der Startschuss für ihr heiß ersehntes Leben als Künstlerin. Redakteurin Friederike Suckert hat mit Malou Lovis über kommende Pläne, ihre Single Insecure und Schubladen gesprochen, die andere für einen öffnen.
F: Gratulation zum Gewinn von The Voice of Germany. Ist jetzt auch schon ein bisschen was her, oder?
M: Danke, es war im Dezember.
F: Wie geht es denn nach der ersten Euphorie so weiter? M: Die erste Euphorie ist weg, aber eigentlich bin ich jetzt angekommen im Künstlerinnen-Dasein. Es hat sich auf jeden Fall viel verändert. Ich arbeite vor allem viel an eigener Musik und habe jetzt meine ersten Gigs gespielt, wo ich meine eigenen neuen unveröffentlichten Lieder spielen durfte.
F: Man merkt, wenn man ein bisschen auf deinem Instagram stöbert, dass du gerade die Zeit deines Lebens hast. Es ist so schön, das machen zu dürfen, was man liebt und ggf. Geld damit zu verdienen. Das steht ein bisschen im Gegensatz zu deinem Song „Insecure“, wobei natürlich beides gleichzeitig stattfinden kann.
M: Ich habe auf jeden Fall gerade die beste Zeit meines Lebens. Ich wollte in dem Song thematisieren, dass es trotzdem okay ist, wenn es schlechte Zeiten gibt. Ich bin jetzt gerade in meinen Mittzwanzigern, habe eine unfassbar gute Zeit und ich möchte gar nichts ändern daran. Keinen Tag.Trotzdem gibt es aber auch Tage oder Situationen, die kacke sind. Es gibt viele Entscheidungen, die man treffen muss und viel, was auf einmal auf einen zukommt. Ich muss mich jetzt gerade damit auseinandersetzen, dass ich mich selbst versichern muss… diese ganzen Bürokratie-Sachen können schon manchmal sehr belastend sein. (lacht)
F: Als Künstlerin und Freischaffende ist das nochmal was anderes mit der Versicherung. Klar, das kommt dann alles zusammen. Das verstehe ich. Das ist witzig, da du jetzt eigentlich in deiner Fame-Ära bist, aber dann kommt sowas profan-bürokratisches hinzu. Aber wie ist denn so der plötzliche Ruhm?
M: Ich glaube, ich konnte gut damit klarkommen, weil ich sehr gute Freund*innen habe und eine Familie, die das alles ganz, ganz doll supported hat und mich da voll aufgefangen hat. Ich war am Anfang für ca. zwei Wochen bei meinen Eltern, die wohnen mitten auf dem Land und das war sehr schön. Ich meine, klar, so im Dorf war es dann schon auch irgendwie crazy, aber die waren alle so lieb. Ich habe zum Glück nur positive Erfahrungen da gemacht. Und ja, ich konnte mich einfach immer gut ins andere Malou-Leben zurückziehen, wo meine Freund*innen sind. Da geht es gar nicht um The Voice oder was ich gerade beruflich mache, sondern einfach um Freundschaft und deswegen war es nie so krass. Klar, manchmal sitzt man in der Bahn und die Leute sprechen einen an, aber ich genieße das, weil ich mich freue, wenn Leute irgendwas Liebes sagen. Und ich finde es immer schön, dass so ein Erkennen dazu führt, dass ich mit Menschen rede, mit denen ich sonst vielleicht nicht gesprochen hätte. Das erweitert meine Sicht auf die Dinge.
F: Du bist eine offen queere Frau und dein Gewinner-Song „Glacier Rivers“ handelt auch davon. Hast du aufgrund dessen viel Hass abbekommen? M: Es waren auf jeden Fall viel mehr Leute, die mir z. B. geschrieben haben, dass sie sich wegen dem Song getraut haben, sich bei Freund*innen zu outen. Es hat mir auch ein queeres Couple geschrieben, die ein Kind bekommen haben und es nach mir benannt haben. Also wirklich mega. Ich habe mir dann auch so schöne Sachen in mein Tagebuch abgeschrieben und habe versucht, mir das zu merken. Ich realisiere, dass mein Song ein paar Leuten durch eine schwere Zeit geholfen hat. Das Gefühl überwiegt auf jeden Fall total, auch wenn es immer wieder Hate-Kommentare gab. Aber ich habe die Leute alle immer ganz schnell geblockt oder die Kommentare gelöscht, sodass sie aus meinem Sichtfeld raus sind. So kann das Positive überwiegen.
F: Man mag ja mental darauf vorbereitet sein, aber es lesen zu müssen, ist ja nochmal was anderes. Und du hast eine Verantwortung und musst solche Kommentare entfernen. Community Management ist doch sicher auch ein großer Teil deiner Arbeit? M: Das ist tatsächlich das, was gerade bei mir die meiste Zeit einnimmt: Mich mit Social Media auseinander zu setzen und zu gucken, wie alles funktioniert und wie ich es schaffe, alles aufrecht zu erhalten und diese Community größer werden zu lassen. Das ist eine Challenge für mich. Vor allem TikTok, das hatte ich vorher gar nicht. Und da mich jetzt so rein zu arbeiten, ist auf jeden Fall schwierig. Aber ich versuche das. F: Geht uns als Magazin grad ähnlich. Dass Tom und Bill Kaulitz, der inzwischen eine Queer Icon ist, dich unter ihre Fittiche genommen haben, war doch ein großes Glück. Auch dass du als Support-Set dabei bist. Arbeitet ihr schon an den Vorbereitungen für die Tour oder bist du erst noch am Album schreiben? M: Also erstmal ja, das war wirklich das größte Glück, dass ich mich für das Team entschieden habe und dass wir uns auch einfach so gut verstanden haben und dass unsere Themen so übereinstimmen. Sie haben es so doll supported, dass ich den Song dann auch im Finale singe und mich somit traue, da meine Meinung quasi so offen zu legen und darüber zu singen. Und wir sind jetzt dran, die Tour zu planen. Beziehungsweise jede*r für sich. Ich schaue gerade, welche Städte in Europa für mich Sinn machen, worauf ich Lust und was ich mir leisten kann. Der Support finanziert sich immer selbst.
Mein Vater geht aber dieses Jahr in Rente und mein Eltern haben ein riesiges altes Wohnmobil. Er hat gesagt, er hätte Bock mitzufahren. Dann können wir alle zusammen darin schlafen. Es passen locker fünf oder sechs Personen rein. Da haben wir dann eine Küche und Badezimmer und er hat sich eine Route überlegt, die am besten passen könnte, welche Städte wir wann hintereinander spielen könnten.
F: Das wäre der Roadtrip deines Lebens. Das klingt richtig gut.
M: Ein großes Hobby von ihm ist eh das Reisen und ich würde nur den Sprit bezahlen. F: Die emotionale Unterstützung ist auch nicht zu unterschätzen. Da drücke ich sehr die Daumen, denn das klingt nach einem wilden Tour-Leben wie früher.
M: Ja, voll. Ich finde das mega cool. Und perfekt dass meine Freundin meine Gitarristin ist. Das heißt, die ist auch dabei. Das wäre einfach ein Traum. F: Das klingt richtig schön. Ich gönne es dir. Auch dass ihr euch als Familie so gut vertragt und auch deine Partnerin involviert wird, klingt sehr harmonisch.
M: Ja, ist es tatsächlich. Sehr harmonisch und sehr schön. F: Das ist nicht Rockstar üblich, aber super. Ich habe gelesen, dass du mit vielen Instrumenten aufgewachsen bist, also aus einem musikalischen Haushalt kommst. Wann hast du angefangen, selbst Songs zu schreiben? M: Ich glaube, ich habe meinen ersten Song geschrieben, als meine Oma gestorben ist. Da war ich 18. Da hatte ich das erste Mal das Bedürfnis, meine Gefühle auszudrücken und habe einen Song geschrieben. Also gar nicht mal so früh. Ich habe vorher viel gecovert und generell viel gesungen. F: Und dann eher für dich? Oder bist du schon dann direkt damit aufgetreten? M: Wenn ich aufgetreten bin, habe ich Cover gesungen. Ich habe mich nie getraut, eigene Parts zu singen. Meine Schwester hat auf Deutsch Texte geschrieben. Nur die habe ich dann auf der Bühne gespielt, weil sie das auch sehr gut kann. Mit denen habe ich mich wohl gefühlt. F: Ihr seid ja ein richtig süßes Familienunternehmen. Und jetzt habe ich auch gesehen, dass du einen Song von Luna gecovert hast. Wie ist das denn? Man sieht ja auf TikTok eigentlich immer, dass die Babyqueers immer ganz gut vernetzt sind. Und ist das bei dir auch so? M: Ja, also es ist schon wirklich krass. Die Queere Community, vor allem in Köln, ist so groß und vernetzt. Und zum Beispiel jetzt war am Wochenende dort der CSD und da war ich dann auch bei Ricarda vom Podcast Busenfreundin und ihrer Freundin Irina, der ersten Princess Charming, mit meiner Freundin auf dem Wagen eingeladen. Man kennt sich nicht unbedingt persönlich untereinander, aber irgendwie ist man dann doch connected. Luna habe ich auch schon kennengelernt, wir waren zusammen auf einer Musikparty.
F: Ich bin ja nun doch ein bisschen älter als du und ich finde es schön, dass es gerade jetzt so viel lesbische oder queere Frauen in der Popmusik gibt. Auch international gibt es so viel Repräsentation wie noch nie. Es macht doch bestimmt Spaß, ein Teil davon zu sein, oder? Denn gerade „The Voice“ ist ja jetzt auch nicht irgendeine kleine Sendung.
M: Ja, das ist wirklich toll. Wenn ich mir jetzt so denke, als ich 16, 17 war und irgendwie so gestruggelt habe, meiner besten Freundin das zu erzählen und jetzt bin ich an einem Punkt, wo ich vielleicht anderen Leuten helfen kann beim Outing und Teil der Community zu sein und das so repräsentieren kann, das ist schon richtig cool. Ich bin stolz, ein Teil davon sein zu können.
F: Ist es ein Thema für dich, wenn man dich lesbische oder queere Musikerin nennt? Fühlt sich das für dich wie eine ungewollte Schublade an? M: Manchmal labeln Leute mich als lesbisch, aber ich habe mich nie so gelabelt, sondern immer queer benutzt. Ich weiß gar nicht genau, was mein Label ist und es finde schwierig, mich auf eins festzulegen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass die Leute einen unbedingt labeln wollen. In der Vergangenheit ist es vorgekommen, dass Magazine, die sich für queere Sichtbarkeit einsetzen, also Menschen, die sich eigentlich damit auseinandersetzen, mich „lesbische The-Voice-Gewinnerin“ genannthaben. Und das macht noch dann schon ein wenig traurig. Ich möchte gern gefragt werden oder wenn ich selbst mich als queer bezeichnen möchte, dann benutzt das doch bitte. Aber ansonsten habe ich nicht das Gefühl, dass ich darauf reduziert werde. Es ist ein Thema, mit dem ich mich gerne auseinandersetze und worüber ich auch Songs schreibe. Da ist es auch okay, wenn ich damit in Verbindung gebracht werde und das dann da steht.
F: Ja, es ist ja auch legitim. Also wenn du sagst, du bist queer, dann bist du halt queer. Die Labels gibt es ja für die Sichtbarkeit, aber das heißt ja nicht, dass man immer zu 1000% da reinpasst. Am Ende ist es eh eine private Sache und geht im Detail auch niemanden was an. Es ist aber schön, dass du mit einem queeren Song gewonnen hast und 28% der Anrufe bei fünf Finalist*innen sind nicht so wenig.
M: Ja, das stimmt. Das finde ich immer noch verrückt, wenn ich darüber nachdenke, dass ich einfach so die letzte Übrige war von dieser ganzen Staffel von so unfassbaren Talenten und Sänger*innen, Stimmen und Menschen.
F: Wie ist denn die Zeit bei „The Voice“ ? Ist man da immer nur die ganze Zeit unter Leistungsdruck oder kann man da auch mal durchatmen, während man da arbeitet?
M: Ich fand die ganzen Vorbereitungstage immer schön. Alles, was vor den Live-Shows war, war relativ entspannt. Man hatte immer ganz lange Wartezeiten, wo man einfach rumhängen, essen und Musik machen konnte. Wir hatten einen Raum, wo wir dann alle zusammen waren. Das hat mega, mega Spaß gemacht. Ich fand einfach diese ganze Zeit so cool und mit so vielen talentierten Musiker*innen auf einem Haufen zu sein, das war schon besonders.
Und als dann die Live-Shows anfingen, da wurde es dann auf jeden Fall stressiger. Und da war es schon manchmal, dass ich so dachte, oh Gott, ich weiß gar nicht, wie ich das aushalten soll. Da hatten wir dann Tage, wo wir wirklich von morgens bis abends Proben und keine echten Pausen hatten. Dann wurden wir abgeholt und haben auf dem Weg noch schnell was gegessen, weil wir direkt wieder zum nächsten Termin mussten. In der Woche vom Finale waren wir 5 Uhr morgens beim Frühstücksfernsehen und dann direkt am Abend habe ich bei Bill und Tom noch bei einem Konzert mitgesungen. Es war auch unendlich schön und es sind Erinnerungen, die werde ich auf gar keinen Fall vergessen, aber es war auch wirklich anstrengend. Es war schon krass, das so durchzuhalten. Ich hätte das keinen Tag länger machen können. Nach dem Finale war ich durch.
F: Ja, aber das ist ja auch ein guter Crashkurs in allem, oder? M: Ja voll. Bei den Radiointerviews und Podcastaufnahmen fragen immer alle, ob ich das schon oft gemacht habe. Und dann hab ich gesagt „Ey nee, aber The Voice war halt wirklich einfach ein richtig krasser Crashkurs.“ Man hat halt einfach alles einmal durchweg so richtig gelernt, aber auf einer harten Schiene.
F: Du arbeitest ja gerade am Album. Ich weiß, du spielst jetzt schon immer so kleine Gigs. Aber ist denn auch deine eigene nächste Tour geplant oder ist es erstmal nur Tokio Hotel, woran ‚gewurschtelt’ wird? M: Hahaha, ja. Gerade ‚wurschteln‘ wir erstmal an der Tokio-Hotel-Tour und vor allem an eigener Musik und einer EP oder einem Album. Das wissen wir gerade noch gar nicht so ganz genau, was jetzt zuerst kommt. Das ist jetzt gerade der Fokus. Aber mein persönliches Ziel ist auf jeden Fall eine Malou-Lovis-Tour. Es muss überhaupt nicht groß sein. Also es können ganz kleine Gigs sein, aber ich finde es mega, mega cool mit meinen Songs und meiner Musik Konzerte zu spielen. Das wäre mein Traum. Das kommt dann auf jeden Fall danach. Die Tokio-Hotel-Tour ist quasi mein Lerncamp und Aufwärmen. F: Die eigene Tour wird kommen, da bin ich mir sicher. Hast du denn eigentlich auch Musiker*innen, mit denen du schon weißt, dass du mit denen z.B. zusammenarbeiten willst auf dem Album? M: Ja, ich hatte ganz viele Sessions in Berlin und habe mit einigen unterschiedlichen Leuten zusammengearbeitet und da haben sich einige rauskristallisiert, mit denen ich am liebsten arbeite und wo auch einfach die besten Songs dann am Ende entstanden sind. Und ja, da habe ich jetzt schon, ich würde sagen, drei Teams, mit denen ich hoffe, an der Musik arbeiten zu können. Und auch das Lied Insecure, das jetzt schon draußen ist, ist mit zwei von denen entstanden, mit denen ich so gern arbeite. Wir haben auch noch mehr Lieder in petto.
F: Cool, da habe ich eigentlich gar nicht mehr viel zu fragen. Aber es klingt, als hättest du wirklich gerade eine gute Zeit. Genieß das. Du wirst nicht immer 20 sein. *zwinkizwonki*
Ich freue mich für dich und vielen Dank für das Gespräch.
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