Jeremy Dutcher, seines Zeichens Musikwissenschaftler, Tenor, Komponist und Aktivist mit indigenen Wurzeln, beehrte unlängst die Lobby des Michelberger Hotels an der Warschauer Straße mit seinem Machwerk.
In Kanada geboren und dem Stamm der Maliseet zugehörig, reicht seine Familien- und Stammestradition Jahrhunderte zurück. Und genau hier knüpft Dutcher mit seinen selbstgeschriebenen Stücken an. Klassische Klavierklänge mischt er mit über 100 Jahre alten, original Tonaufnahmen seiner Vorfahren und auch seiner eigenen Stimme. Damit schafft er eine kulturübergreifende, tiefgehende Symbiose aus dem Gesang der Ureinwohner*innen Nordamerikas und westlichen Tönen eines Konzertflügels. Eröffnet wurde das Konzert durch den Einmarsch des Künstlers, lediglich begleitet durch sein eigenes Stimmorgan, welches Verse auf Maliseet-Passamaquoddy verlauten ließ, und das rhythmische Schlagen eines Fächers. In einem glänzenden Brokatmantel schwebte er nahezu lautlos durch die Stille des Raumes und die faszinierten Blicke der Anwesenden. Konzentriert und ganz in seinem eigenen Sound versunken fand er seinen Platz am Flügel und entführte das Publikum auf eine Reise in die Vergangenheit. Hüpfend zwischen Native und Englisch, mal mit zarten, dann wieder kräftigen Klaviertönen bekamen die Zuhörenden ein Gefühl dafür, was es heißt, mit den Verstorbenen in Kontakt zu stehen.
Was bei den First Nations Kanadas, und auch Teilen der USA, seit Jahrhunderten zum Selbstverständnis gehört, gelebt und gepredigt wird, hat bei uns in Mitteleuropa immer noch den unnützen Beigeschmack des aufgezwungenen Modernen. Uns Queers wird ja regelmäßig vorgeworfen, wir hätten uns die Sache mit Geschlechtsidentität und Sexualvariationen gerade erst ausgedacht. Die Beweise dafür, dass dies ein Trugschluss ist, hatten die machtgeilen Europäer zwar jahrhunderte lang versucht durch Kolonisation zu vernicht. Dass dies aber nicht von Erfolg gekrönt war, ist unter anderem den Angehörigen der Stämme der Ureinwohner zu verdanken. Vor allem das so genannte dritte Geschlecht ist bei den Maliseet seit jeher ein fester Bestandteil des Lebens - und der Kunst. Und somit auch bei Jeremy Dutcher. Ein Künstler, der nicht nur eine queere Brücke zwischen gestern und heute schafft, sondern dazu beiträgt, dass das Morgen mit weniger Hass gelebt werden kann.
Eröffnet wurde der Abend durch Supportact The Renaissance Woman.
PINKDOT freut sich über alle Geschlechter, die da so kreuchen und fleuchen.
Jeremy Dutcher, musicologist, tenor, composer, and activist with indigenous roots has lately been honoring the Michelberger Hotel lobby on Warschauer Street with his artwork. Born in Canada as a member of the Maliseet tribe, his family and tribe traditions stretch back centuries. And this is what Dutcher takes up in his self-composed work. He combines classical piano and his voice with over 100-year-old recordings of his ancestors. With this technique, he creates an intercultural, deep symbiosis of indigenous North American vocals and Western grand piano tunes.
The artist commenced the concert with his voice reciting verses in Maliseet-Passamaquoddy accompanied by the rhythmic beat of a hand fan. He fascinated the attendees wrapped in a glossy brocade coat by floating almost soundlessly through the silent room. Focussed and immersed in his sound he took place at the grand piano and whisked his audience away to past days. Switching between English and his native language Maliseet-Passamaquoddy, accompanied by gentle and bold piano tones, listeners got a feel for what it means to be in touch with the descendants.
What has been part of the Canadian and US American First Nations' self-image, practices, and culture for centuries still has a bitter taste of forced modernism in Central Europe. Us Queers are often accused of making up sexual and gender diversity. Proof that this is a fallacy, was hidden and nearly destroyed by power-hungry Europeans through colonization. Thanks to the indigenous people this was not crowned with success. The third gender has been an essential part of the Maliseets' life and art. And thus also a part of Jeremy Dutcher himself. An artist, who is not only building queer bridges between past and present but also contributing to a future in which a world with less hate will be possible.
The supporting act of the evening was The Renaissance Woman.
PINKDOT is delighted by all genders.
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