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Q*INO // Standing Ovations für Queerness

Bei keinem anderen TV-Event wird mehr gebechert, gegackert und getratscht als bei der Verleihung der Golden Globes – live auf der Bühne, mit Hollywoods Crème de la Crème im Publikum. Da war es jahrzehntelang egal, dass die preisverleihende Hollywood Foreign Press aus nimmersatten und übergriffigen Auslandsjournalist*innen bestand, solang die Korken knallten und angetüdelte Stars für witzige GIFs auf Twitter sorgten. Die Ernüchterung kam mit Corona, als die Globes 2021 nur via Zoom stattfanden und 2022 lediglich auf Twitter. Diese Woche wurde eine alte, vergangene Normalität inszeniert samt güldenen Stars wie Brad! und Rihanna!, denn das queere Herz will was es will, und es sollte nicht enttäuscht werden an diesem 10. Januar 2023.

Angesichts der Skandale um Rassismus und Korruption der letzten Jahre war die Stimmung im Saal etwas reservierter, allerdings bleiben die Golden Globes die kleine, angetrunkene Cousine der Oscars, und so war auch die 80. Verleihung des Golden Globes ein Highlight für die feierwütigen LSBTIQ* Communities! Moderiert vom schwulen Comedy-Star Jerrod Carmichael, dem ersten Schwarzen Gastgeber überhaupt, wurde ein queeres Highlight nach dem nächsten mit Applaus auf der Bühne gefeiert.

Jung, queer, Schwarz: Comedy-Star Jerrod Carmichael moderierte die 80. Verleihung der Golden Globes
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Gleich drei Globes gewann die Sitcom ABBOTT ELEMENTARY (Disney+), die vor allem durch Chris Perfetti als schwuler Geschichtslehrer glänzt. Die Miniserie THE WHITE LOTUS (Sky), deren zweite Staffel vor Intrigen, Sex als auch schwulen und lesbischen Gelüsten strotzte, erhielt zwei Preise inklusive für Gay-Ikone Jennifer Coolidge als dauerbreite Millionärin. Zendaya räumte für ihre Rolle als queere High-School-Schülerin in EUPHORIA (Sky) ab, Evan Peters wurde als schwuler Massenmörder in DAHMER (Netflix) ausgezeichnet, und als Serie des Jahres gewann Fantasy-Hit HOUSE OF THE DRAGON (Sky) mit nonbinary-Star Emma D'Arcy in der Hauptrolle. Für sein Lebenswerk (u.a. GLEE, POSE) bekam der schwule Produzent Ryan Murphy stehende Ovationen im Festsaal des Beverly Hilton, der bei seiner Dankesrede seiner Darstellerin Michaela Jaé Rodriguez dankte, der ersten trans Globe-Gewinnerin. 

In der zweiten Hälfte des Abends wurden die Gesichter der großen Leinwand mit Golden Globes überschüttet. Wenig überraschend war der Preis für Cate Blanchett, die als lesbische Dirigentin ihre Mitmenschen drangsaliert und in dem Berlin-Thriller TÁR (ab 23. Februar im Kino) brilliert. Und für den Fantasy-Action-Irrsinn EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE (hört unseren Podcast zum Film!!) wurden Michelle Yeoh und Ke Huy Quan prämiert als Eltern einer queeren Tochter. Dass Daniel Craig in GLASS ONION (Netflix) und Brendan Fraser in DER WAL (ab 27. April im Kino) beide für ihre Homo-Rollen unverdient ohne Globes blieben, soll hier verziehen werden.

Michelle Yeoh, Jennifer Coolidge und Ke Huy Quan wurden für queere Filme und Serien ausgezeichnet
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Denn allein die Sichtbarkeit von LSBTIQ+ auf den US-amerikanischen Leinwänden ist ein großer Schritt, den deutsche Produktionen leider noch vor sich haben. Allein im letzten Jahrzehnt steigerte sich der Anteil queerer Rollen im US-Kino um fünfzig Prozent: Dass diese Rollen oft mit heterosexuellen Darsteller*innen besetzt werden, kann zwar kritisch betrachtet werden, aber solang es in der Filmbranche noch ums Geschäft geht, werden Weltstars wie Daniel Craig oder Cate Blanchett weiterhin unsere Regenbogenfahne hochhalten müssen. Und solang Queeroes wie Jerrod Carmichael uns Witze auf Kosten von Will Smith und dessen toxische Männlichkeit schenkt und dem Schauspieler den Rock-Hudson-Ehrenpreis verleiht, bleiben wir der Hollywood-Tradition überbordender Preisverleihungen treu.