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© Bild: Paramount/Birk Alisch
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Friederikes Fernsehkolumne –
„Die Premiere von Drag Race Germany“

Im Frühjahr ging ein Raunen durch die queeren Reihen, ein deutscher Mythos sollte endlich wahr werden: Drag Race Germany geht in die Produktion! Ein zwölfjähriges Versprechen sollte eingelöst werden. Aufgeregt wurden Fummel genäht, Snatch Games geübt und Knöchel beim Proben des Death-Drop umgeknickt. Die Spekulationen um den Cast und die Moderation gehörten zum wöchentlichen Small-Talk. In den Reihen der Berliner Drag Queens und Polittunten kam aber schnell Ernüchterung. 

Während Szene-Größen wie Margot Schlönzke mehrfach angefragt worden waren, wurde anderen nicht mal auf die Bewerbung geantwortet. Das roch nach Geklüngel bei der Paramount-Produktion. Im Mai gab es dann auf einem spanischen Instagram-Account den Leak, wer die Moderatorin sein würde: Barbie Breakout. Wie in Deutschland angemessen, gab es erstmal ein kleines Mini-Shit-Stürmchen. Da wir aber gefühlt sechs verschiedene Drag-Szenen haben, hatte jede einen besseren Vorschlag. In einem waren wir uns aber alle einig: Zum Glück ist es nicht Olivia Jones (sorry Olivia, aber du hast schon die Dschungel-Show und das Promibüßen!). Die erste wirkliche Überraschung war dann, dass es schon im September losgehen sollte und nicht im Dezember. Vielleicht um den Spekulationen Einhalt zu gebieten? Egal!

Schlachte, Mutter!

Das Gerücht über die Moderation wurde bestätigt und Barbie wurde mit Liebe überschüttet. Weitere Jury-Mitglieder sind der sehr stolze schwule Schauspieler und Sintizze und Romnja-Aktivist Gianni Jovanovic und die Designerin, Autorin und ehemaliges New Yorker Club-Kid Dianne Brill. Gut, weiß man jetzt auch nicht, warum, aber abwarten. Die elf Drags haben in ihren Videos sensationelle Looks, sehen auf den ersten Blick erstmal alle sehr polished und vor allem nicht divers aus. Wer natürlich toll ist, ist die Afab (assigned female at birth) Pandora Nox: Sie ist erst die zweite im Drag-Race-Universum. Ein Schock war allerdings die erste Gast-Jurorin Shirin David. Die Berliner Rapperin, die Feminismus predigt und nur mit Männern arbeitet, Blackfishing betreibt, für Glücksspiele mit McDonalds wirbt und fragt, warum eigentlich nur die Hässlichen sie kritisieren. Eine echte Bereicherung für die queere Szene! Die Verkündungen von Drag Race Germany zu schauen, war wie Public Viewing beim Fußball: Alle denken, jetzt kommt ein gutes Tor, aber es wird gehalten. “Jaaaaaaaah, oooooooh, aaaach neeeee!” Nichtsdestotrotz haben wir uns für die Premiere im Zoo-Palast aufgerüscht, der gewünschte Look hieß „Celebration“ . Bei der Ankunft flirrten die Augen vor lauter Glitzer vor dem Traditionskino. Wirklich ALLE Berliner Queens und Queers und auch aus anderen Städten waren da. Ich konnte nicht alle erkennen.

Margot Schlönzke, Conchita Wurst, Vava Vilde, Bambi Mercury, Candy Crash, einfach alle. Obendrauf noch die erfolgreichsten queeren Content Creator*innen, Stars wie Nora Tschirner und Karoline Herfurth wirkten, trotz spitzen Outfits, wie Nebendarstellerinnen in unserem kleinen queeren Film. Nicht anwesend war, Überraschung, Shirin David. Na klar, man braucht natürlich die Klicks und Paramount-Abos, aber es hätte wirklich so viele Alternativen gegeben. Zumal jemand aus ihrem Team eine Schlägerei am Dreh-Set in Kolumbien angezettelt haben soll.

Während die aufgestrapsten Ladies für ein Foto auf dem blauen Teppich anstehen mussten, haben wir paillettenlosen Anderen uns Freisekt und Popcorn abgeholt. Erst fand ich das wirklich mau, aber die Party im Metropol sollte ja noch folgen. Im Saal konnte man dann schön glotzen, welche GNTM-Teilnehmerin mit wem rumhing und welches einst ikonisches Berliner Queer-TikTok-Duo nicht miteinander spricht (die Gerüchte sind wahr und es hat mir das Herzchen gebrochen). Da nicht alle einen Platz gefunden haben, mussten Nachzügler*innen in einen anderen Saal, was etwas sinnlos ist, wenn Promis wie Aminata Belli noch Interviews geben müssen. Moderateuse des Abends Jacky-Oh Weinhaus hat jedoch mit Vehemenz durchgegriffen und irgendwann ging es mehr oder weniger pünktlich los.

Die Stimmung war dermaßen gut, bei meinen Begleiter*innen rollten schnell ein zwei Tränchen. Als Barbie aufstand, gab’s allerdings gar kein Halten mehr, bei niemandem. Fünf Minuten Geklatsche, Barbie-Rufe und Standing Ovations. Die Aktivistin und Autorin, die vor ein paar Jahren noch damit gehadert hat, ob sie überhaupt jemals wieder Drag machen möchte, ist jetzt einfach die Mutter des deutschsprachigen Franchises! Und bei ihr wissen wir, dass da nicht nur markige „Sashay Aways“ und „Du kannst doch hier nicht H&M tragen!“ kommen werden. Das brauchen wir in diesen Zeiten, denn unsere Queer Joy war getrübt: Hätte uns an diesem Abend jemand angegriffen, wäre es das mit deutscher queerer Kunst und Kultur schlagartig gewesen. Diese Angst hatte nicht nur ich, auch Jacky-Oh war kurz anders bei diesem Anblick.

Die erste Folge an sich war kaum zu verstehen. Wir haben zu viel gelacht und geschnipst. Eines kann ich aber sicher sagen: Die Looks und Queens sehen nicht alle gleich aus und haben große Unterschiede im Niveau. Die Sprüche sind schon jetzt iconic. Da die Teilnehmer*innen ja nur vor der Kamera miteinander sprechen durften, hatten sie vermutlich genug Zeit, sich diese auszudenken. Ein kleiner Knaller war der Vergleich einer Queen mit Kader Loth, die auch im Saal saß. Mit der ersten Folge schienenen alle zufrieden. Nur bei Shirin David, die auch einen sehr seltsamen Geisha-Look hatte, hat ihr (bezahlter?) Fanblock gejubelt.

Schon im Mini-Interview nach dem Screening zeigte die Jury, warum sie die richtige Wahl für die erste Staffel sind. Sie bemängelten die fehlende Diversity der Wettkämpfer*innen, es hätte auch durchaus mal eine Dicke dabei sein dürfen oder jemand mit einer Behinderung. Da reicht es nicht, Behinderten-Aktivistin aber leider auch CDU-lerin Kristina Vogel mit pinker Perücke zur Premiere einzuladen. Versteht mich nicht falsch, ich finde sie absolut bewundernswert, aber die CDU ist queerfeindlich und sie wahrlich nicht die einzige Person mit Handicap, die etwas zu sagen hat.

Mit wehenden Federn zur gratis Currywurst

Zur Party im Metropol ging es mit Shuttlebussen und die ganzen Queens darin sahen aus wie eine Mischung aus „Priscilla, Königin der Wüste“ und „Miss Undercover 2“, wo Sandra Bullocks Riesenpuschel aus dem Dach eines Mini Cooper weht. Pailletten, Perücken, Pads überall. Im Metropol sind sich dann wieder gewisse Leute aus dem Weg gegangen und man hat sich schon gewundert, warum TK Maxx-Shopperin und Harry-Potter-Spielzeug-Sammlerin Paula Senfkorn eingeladen war. Netter Content und sehr sicher eine nette und vor allem junge Person, aber mit J.K. Rowling und den Queers war doch was? Mit dem Bändchen bekam man auch ein Plastikarmband, das völlig wahllos blinkerte oder eben nicht. Wir hatten kurz Angst, Coldplay treten auf. Stattdessen haben wir für die Mama von The Only Naomy Happy Birthday geträllert, die zudem auch noch zum ersten Mal ihr Kind in Drag sehen durfte. Im Publikum konnten wir Drag Syndrome entdecken und dachten, jetzt geht die Inklusion wenigstens auf der Party los, aber leider nein. Sie waren trotzdem süß, für jedes Foto zu haben und eine kleine Sensation in dem deutschen Promi-Allerlei.

Die Bars waren komplett überfüllt, denn wir Queers waren durstig nach dem einem Getränk, und Popcorn und die Currywurst im Foyer hatten die Münder ausgetrocknet! Und auch da haben sich cis Männer wieder elegant vorgedrängelt, obwohl sie gesehen haben, dass kleinere Personen schon lange anstanden. Das ist einfach asi, auch wenn du eine pinke Krawatte trägst, Stefan. Ein Barmann hat einen leicht angeekelten Kommentar gemacht, weil ihm ein Kollege vor dem Kühlschrank durch die Beine, in Knöchelhöhe, gefasst hat.

Kurzum: Trotz all der schönen Queerness im dreistöckigen Traditionsclub, waren wir ganz schnell wieder in der heteronormativen Welt des Kapitalismus angekommen. Ein kleines Fitzelchen zum Safe Space hat gefehlt, geschmeckt hat’s trotzdem, hehe. Auf dem Klo gab es in den Kabinen um mich rum viel Geschniefe, ich vermute, das waren keine Freudentränen oder Pollen. Da war es eh Zeit zu gehen, meine Schuhe haben gedrückt und ich konnte Barbie Breakout noch sagen, dass ich ihr eine Weinschorle schulde und wir sie schon jetzt für diese Staffel lieben.

Ich werde einmal im Monat mehrere Episoden rezensieren. Für Drag Race Germany braucht ihr ein extra Abo von Paramount+. Als WOW+-Abonnent*in kannst du nicht aus dem deutschspachigem Raum heraus auf die Show zugreifen. Allerdings gibt es viele tolle Public Viewing Angebote, z.B. im SchwuZ oder Ritter Butzke! This is our season, Queenies! Nehmt alles mit!

 

Candy Crash, Kader Loth, Vava Vilde
© Bild: Birk Alisch
Conchita Wurst
© Bild: Birk Alisch
Kristina Vogel
© Bild: Birk Alisch
Raffa Plastic
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Gloria Viagra
© Bild: Birk Alisch