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Filmkritik „Blue Jean“

von Friederike Suckert

Nirgends ist man so einsam wie unter Ihresgleichen

Lesben* auf der großen Leinwand sind zu einem traurigen Schicksal verdammt: Sie müssen sich binnen 90 Minuten outen und dabei alle emotionalen Hochs und Tiefs durchlaufen. Im besten Falle alles für eine andere Frau*, mit der sie noch nie ein Wort gesprochen, aber umso mehr bedeutungsschwangere Blicke ausgetauscht haben. Klar, am Ende funktioniert das meistens, auch wenn mindestens eine sterben, aber auf alle Fälle beide für immer unglücklich bleiben müssen. Wenn es ganz hart kommt, müssen sie dabei auch noch Korsetts und Reifröcke tragen.

Für Georgia Oakleys „Blue Jean“ läuft es grad auch nicht optimal, muss sie doch als Sportlehrerin in Margaret Thatchers' Großbritannien leben. Das Gesetz „Clause 28“ verbot es, Homosexualität zu fördern und so darf kein Mensch auf ihrer Schule erfahren, dass sie lesbisch* ist. An den Abenden und Wochenenden hängt sie mit ihrer Partnerin Viv und ihren Polit-WG-Freund*innen in einer Lesbenbar rum und muss sich für ihre Zurückgezogenheit zwar den einen oder anderen Spruch anhören, aber die Aktivist*innen meinen es ja nicht so.

Dieses Kartenhaus droht zusammenzubrechen, als die neue 15-jährige Schülerin Lois in eben dieser Bar aufschlägt. Sie wiederum hat auch ihre Probleme in der Schule, wird sie doch als Lesbe* gemobbt, auch weil eine Mitschülerin eifersüchtig um die Gunst von Jean buhlt.

Im Schrank ist es einsam

Soweit viele Klischees, soweit auch deprimierend. Denn der atemberaubend schönen Frau, die wirklich gut in ihrem Job ist, steigt die Angst bis zum Hals. Verständnis braucht sie von keiner Seite erwarten. Im Kollegium muss sie sich bedeckt halten, Viv und ihrer Kommune ist sie nicht aktivistisch genug, auch weil sie ihr Innerstes vor der Familie verheimlicht, die wiederum ignorant und spießig in ihrer beigen Inneneinrichtung leben. 

Generell ist die Farbsättigung sehr gering. Es scheint, als würde sie sich mit Jeans der wachsender Angst weiter runterdrehen. Die Furcht ist ein lähmendes Monster, das sie schlechte Entscheidungen treffen lässt. Gerne würde ich sagen, der Film erinnert nur an alte Zeiten und sollte eine Mahnung sein, sowas nie wieder zuzulassen. Nun kann aber keine queere Person wirklich behaupten, dass sie den Geist der Eisernen Lady und ihrer Gesinnungsbrüder nicht spürt. Gerade in Berlin wird es zunehmend unbequemer. 

„Blue Jean“ stellt die Frage, ob ihre Protagonistin genauso verschlossen und angespannt wäre, wenn sie nicht lesbisch* wäre. Den Gedanken verfolgen viele marginalisierte Personen, denn unsichtbar bleiben ist eine Überlebensstrategie. Hätte ich früher immer ein Coming-Out eingefordert, sehe ich das schon lang nicht mehr so. Viel mehr brauchen wir in der Community Geduld und Verständnis, denn für Manche wäre der Verlust des bisherigen Umfelds, bis hin zum Job, eine tatsächliche Katastrophe. Das Konzept der queeren Wahlfamilie versteht man ja leider meistens erst danach. (Bei reichen Promis und Fußballspielern sehe ich das anders: Kommt endlich raus und sorgt für Sichtbarkeit. Ihr profitiert von unseren Kämpfen und ihr werdet am Ende eh alles monetarisieren können.) 

Es ist also mal wieder ein Coming-Out-Film, aber diesmal ein Guter, was vor allem daran liegt, dass die Menschen Gespräche führen und die Konflikte in den Beziehungen vielfältig und nachvollziehbar sind. Auch das Aufzeigen von Community und alternativen Lebensentwürfen in Zeiten, in denen alles noch politisch aufgeladener war, macht Mut. Eingebettet in einen punkigen 80er-Jahre-Soundtrack, ist auch hier und da ein süßer und bequemer Look für den Kampf gegen den Rechtsruck zu finden. Bildet Banden!

 

Der Film ist bei Salzgeber erschienen.

REGIE & BUCH

Georgia Oakley

CAST

Jean Newman – Rosy McEwen

Vivian Highton – Kerrie Hayes

Lois Jackson – Lucy Halliday

Siobhan Murphy – Lydia Page