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© Bild: Benedikt Rugar

ELECTROSEXUAL und MAVIN im Exklusiv-Interview

von Bastian Peters

Einer der seltenen Sonnenmomente im kalten Sommer 2023 war die Veröffentlichung von Age of Access (Keys of Life). Auf dem Minialbum versammelt der französische Producer Electrosexual neun Versionen seines neuestens Powerhouse-Ohrwurms, an dem er gemeinsam mit dem Berliner Sänger Mavin über Jahre arbeitete und der nun fünfzig tanzbare Minuten lang zelebriert werden kann. PINKDOT traf die zwei Berliner im Neuköllner Reuterkiez und fragte nach, was sich zwischen Inspiration und dem Live-Release am kommenden Wochenende alles abspielte.

 

 

Electrosexual (links) und Mavin im Vintage-Fashion-Shop LeMagass in Neukölln.

Hallo ihr Zwei, ihr seid ja beide seit Jahren in der Berliner Club-Szene als DJs bzw. Performer unterwegs, aber produziert auch eigene, sehr unterschiedliche Musik. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
MAVIN: Wir haben einen gemeinsamen Freundeskreis und kamen so in Kontakt. Wir begannen sofort, viel über unsere Musikprojekte zu sprechen, Electrosexual besuchte mich oft in meinem Vintage-Laden, und irgendwann hatte er die Idee, zusammen an einem Song zu arbeiten. Das war vor etwa vier Jahren.
ELECTROSEXUAL: Wir tauschten uns über unsere Idole aus, von Madonna und Cathy Dennis bis zu Janet Jackson und natürlich über deren Produzenten, wie Jimmy Jam & Terry Lewis und Shep Pettibone. Wir wurden beide in den Neunzigern durch „Party Zone“ auf MTV sozialisiert, und das sollte der Sound unseres Tracks sein.

Und wie genau kann man sich den Beginn der Arbeit an Age of Access vorstellen?
MAVIN: Electrosexual schickte mir Ideen, zu denen ich dann Texte mit Gesangsmelodien und Harmonien verfasste. Mir ging es in erster Linie darum, meine Eindrücke rund um das Weltgeschehen und den derzeitigen Status quo widerzuspiegeln. Mich beschlich schon seit langem das Gefühl, dass alles um mich schneller und auch non-stop zugänglicher wurde, das man alles zu jeder Zeit sehen und hören konnte, und gleichzeitig aber der Druck erhöht wurde, auch auf alles reagieren zu müssen. Der Song ist ein sozialkritischer Kommentar, in Teilen natürlich auch ein bisschen preachy, wie wir House-Diven gern mal sind.
ELECTROSEXUAL: Mavin produzierte mit seinem Ostgut-Projekt MANHOOKER ja eher von R&B und Funk inspirierte House Music, unser erstes Resultat war dann ein poppiger Dreiminüter. Die Produktion wurde dann auf halben Weg von der Corona-Pandemie unterbrochen. Ich arbeitete an eigenen Projekten und produzierte Paura Diamantes Debütalbum, aber die Demo-Version von Mavin lag trotzdem immer sichtbar rum, und wir sprachen oft über die Weiterentwicklung und einen Update des Songs.

Und wie kamt ihr wieder zusammen, um an der finalen Fassung zu arbeiten?
ELECTROSEXUAL: Die Öffnung der Berliner Clubs im Frühling 2022 war ein großer Glücksmoment, der gefeiert werden musste. Ich traf Mavin in meiner Wohnung, wir hörten die Originalversion an und beschlossen euphorisch, club-tauglichere Versionen zu produzieren. Das war wie eine Wiedergeburt des Songs, und da wir beide wenig Interesse an neuen Trends wie Autotune haben und Mavin dieses auch nicht braucht, ließen wir uns vom guten alten House inspirieren.
MAVIN: Zum guten Deep House gehören meiner Meinung nach natürlich gehörig viele Klavierklänge, deshalb baten wir unseren gemeinsamen Freund Snax, etwas auf unsere roughen clubbigen Ideen zu spielen. Er fackelte nicht lange rum und lieferte ganze 12 Minuten mit mehreren Piano-Spuren ab. Meine andere langzeitige musikalische Kollaborateurin Lazercat musste ich gar nicht erst lang darum bitten, einen Remix beizusteuern. Ihre düstere und härtere Version von Age of Access hat die E.P. dann rund gemacht, Miauuu! Letztlich ist die finale Hauptversion ein verträumter Spätsommer-Track, warm und verregnet.

Wie hat es denn die Flöte in den Song geschafft?
MAVIN: Das war unsere Hommage an Frankie Knuckles, der Flöten in seinem Whistle Song schon vor 30 Jahren mit Klavier und House verschmolz. Mein Vater war befreundet mit dem legendären Afrobeat-Multi-Instrumentalisten Souleymane Touré, daher kannte ich dessen sehr talentierte Frau Maja Joel, die ihrerseits Flötistin in der Band EASY GOING ist.
ELECTROSEXUAL: Maja kam dann für eine Jam-Session in meinem Studio vorbei, das war alles sehr jazzlastig und komplimentierte das Piano von Snax. Das sind dann eben Live-Instrumente, das bringt eine ganz andere Qualität als Samples.

Jetzt nimmt Age of Access ja auf den neun Tracks unterschiedliche Gewänder und Klangfarben an. War eine E.P. denn geplant?
ELECTROSEXUAL: Der Remix von Lazercat wurde ja schon angesprochen. Dann wollten wir keinesfalls die 12-Minuten-Version verstecken, und die erste Pop-Version wurde als Mavapella Mix nochmal aufgemotzt.
MAVIN: In dem langen Produktionsprozess flogen so viele Ideen rum, die wir alle ausprobieren wollten. Electrosexual hat beispielsweise als Verbeugung vorm Chicago-House noch einen eigenen Acid-Remix gebastelt. Nach neun Tracks fühlte es sich richtig an, und der Release-Button wurde gedrückt.

Ihr seid beide ja keine Unbekannten in der Club-Szene – was habt ihr zum Release geplant?
ELECTROSEXUAL: Premiere hat Age of Access an einem Sonntagmorgen in der Panorama-Bar im Berghain gefeiert, was für einen Track ohne großes Label schon mal ein großartiger Start ist. Inzwischen haben uns DJs in Frankreich, Israel, Österreich und Kroatien schon gespielt. Überhaupt bekommen wir gerade viel Liebe für den Song.
MAVIN: Die Live-Premiere feiern wir in der Lobby vom ://about blank am 19. August bei der Golosa-Party. Eine Woche später geht dann unser gemeinsamer Live-Stream bei RefugeWorldwideRadio an den Start, und ein Video wünsche ich mir auch – auch wenn Electrosexual noch überzeugt werden muss.

Dann freuen wir uns jetzt auf alles, was demnächst von euch kommt. Danke für das Gespräch und viel Erfolg – wir beobachten das weiter!