In deinen Porträts schlüpfst du in die Haut berühmter Frauen*, die mit den Konventionen ihrer Zeit brachen. Wie wichtig sind dir queere Vorbilder, auch in der Kunst?
Meiner Meinung nach sind wir in einem Jahrtausend angekommen, in dem Individuen die Welt regieren. Ich bin dem Universum dankbar, dass ich in einer Zeit und einem Land geboren wurde, wo Frauen* die gleichen Rechte haben wie Männer. Das Recht, du selbst zu sein und die eigene Lebensweise nicht verstecken zu müssen – dies ist für mich die Hauptaufgabe einer Demokratie. Die porträtierten Charaktere verweisen auf verschiedene Epochen, Länder und Berufe, und ich will damit zeigen, dass in der gesamten Weltgeschichte auch Frauen* eine große und wichtige Rolle spielten, auch wenn sie gezwungen waren, ihre Identität zu verbergen.
Ein Gebiet, dem Frauen* nicht würdig waren, war auch die Kunst. Die war eine Männerdomäne, da es Frauen* vermeintlich an Fertigkeiten fehlte. Queere Künstler*innen haben nicht nur eine andere Sichtweise, sondern sprechen oft Themen an, die andernfalls vertuscht würden. Dabei liegt die Schönheit unserer Welt in ihrer Vielfalt. Queere Kunst füllt die Welt mit freier Liebe, wo alle glücklich sein können und es egal ist, wer du bist. Queere Kunst zeigt Tiefe und Gefühl. Und wir müssen offen sein, um jungen Menschen zu zeigen, wie viele Möglichkeiten sie haben.
Deine Stillleben feiern den Bruch mit diesem klassischen Genre der Kunstgeschichte. Was reizt dich an dieser altmodischen Kunstgattung?
Die fehlenden Experimente. Künstler*innen verwendeten zwar unterschiedliche Techniken, waren jedoch bei der Auswahl der Motive für ihre Stillleben eher brav und moralisch. Mir ist das aufgefallen, als ich die klassische Kunst für mich entdeckte. Ohne Kenntnisse der Grundlagen kann man eben nichts Neues schaffen.
Viele deiner Arbeiten sind sorgfältig inszeniert, aber wie wichtig ist dir Spontaneität?
Spontaneität spielt nur eine Rolle bei meinen Akt-Arbeiten. Wenn ich aber ein Projekt in meinem Kopf ersinne, herrscht dort Ordnung und Diktatur.
Du bist mit deiner Lebensgefährtin, der Künstlerin Marina Aleksandrova, aus Kiew nach Berlin geflüchtet. Wie unterscheiden sich deiner Meinung nach diese beiden Kunstszenen voneinander?
Sie sind sehr unterschiedlich. Wie ich Berlin kennen gelernt habe, spielt die Bedeutung staatlicher Hilfe für kreative Menschen eine zentrale Rolle: Sie können Stipendien, Geld für Projekte, kostenlose Weiterbildung, fast kostenlose Ateliers bekommen. Alles ist vorbereitet, um kreativ arbeiten zu können, man muss nur seinen Arsch hochkriegen. In der Ukraine gab es diese Möglichkeiten nicht, nur wenige Kulturprojekte sind durchfinanziert, nur wenige Organisationen unterstützen Künstler*innen. Hier ist die gesellschaftliche Verantwortung für die Kunstwelt auf einem viel höheren Niveau. Wir lieben Berlin und Deutschland dafür sehr.
Woran arbeitest du gerade, was hast du zuletzt fotografiert?
Derzeit arbeite ich an einem weiteren queeren Projekt, einem Sommerprojekt im Wasser, und sammle Akt-Polaroids für eine neue Ausstellung. Es ist schwer für mich, alle Zeit der Kunst zu widmen: Ich lerne schließlich nebenher Deutsch, sammle Erfahrung mit deutscher Verwaltung, helfe ukrainischen Geflüchteten, und ich suche einen Job, denn ich bin Arbeitslosigkeit nicht gewöhnt. Kunst ist nur die zweite Hälfte meines Lebens, hier investiere ich Energie und Geld ohne Garantie auf Erfolg.
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