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Wie können Safer Spaces auf Partys entstehen?

Am 17. Mai 2023 wird der IDAHOBIT, Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, zelebriert. Zu diesem Anlass hat sich unser Redakteur Julian Beyer gefragt, wie dafür gesorgt werden kann, dass sich (queere) Menschen in der Partywelt wohlfühlen. Dafür hat er sich mit Aisha von Section 8 zusammengesetzt. Er spracht mit ihr über Themen Safer Spaces, Awareness-Teams und Maßnahmen, die ein Partyerlebnis inklusiver und sicherer gestalten kann.

Wer bist du und was machst du?

Ich bin Aisha und komme gebürtig aus Berlin. Ich habe schon ziemlich früh das Bedürfnis gehabt, diese Stadt zu erkunden. Es hat mich schon, als ich eigentlich noch viel zu jung war, immer, auch nachts und abends, rausgezogen, um irgendwie alles zu erleben, auszuprobieren, die Stadt kennenzulernen und mit Leuten zu connecten. Als ich 18 war, bin ich ganz zufällig auf der ersten DonnersDrucksparty im Ritter Butzke gelandet und an dem Abend die Leute kennengelernt, mit denen die Grundbausteine für das heutige Section 8 gelegt wurden. Wir sind total schnell zu einer großen Familie zusammengewachsen und angefangen, Partys zu veranstalten. Zusätzlich bin ich auch beim Film, studiere Set Design und arbeite vor und hinter der Kamera. Diese beiden Leidenschaften ergänzen sich total schön, weil ich würde mal behaupten, 80% der Menschen die beim Film sind und kreativ arbeiten, gehen auch gerne auf Partys und so schließen sich die Kreise.

Was für Partys veranstaltet ihr mit Section 8?

Wir haben drei feste Partys: Die Expeditions im about:blank, die Four Play im KitKat und die Paradise Garage in der wilden Renate.

Die Expeditions ist unsere Techno-Party. Die Four Play ist eine sexpositive Party, die sowohl Techno, als auch fröhliche Musik spielt. Es ist unsere größte Party und eine Art Festival, das von allem etwas bietet. Man fragt sich eigentlich, wie man das alles in knapp 13 Stunden packen kann. Wir könnten damit gut drei Abende füllen.

Die Paradise Garage ist unser Baby und wir nennen sie auch gerne die kleine Schwester der Four Play. Sie ist an den gleichnamigen Club aus New York angelehnt, der in den Siebzigern und Achtzigern einer der wichtigen Clubs für die queere Schwarze Community war, einer der ersten Safer Spaces. Die Musik auf unserer Party ist eine Hommage an damals und soll eben auch einen Safer Space kreieren. Die Idee kam auch aus dem Wunsch, einen sexpositiven Ort zu schaffen, der fröhliche Musik und farbenfrohe Kleidung präsentiert – gerne kinky, aber eben auch genauso gerne in einem glitzernden Eighties Disco Outfit.

Jetzt hast du schon sexpositive Partys und Safer Spaces angesprochen. Wie kreiert ihr einen Ort, an dem sich Besucher*innen auch leicht bekleidet wohl fühlen?

Durch Awareness und Awareness-Teams. Das haben wir schon ganz früh wahrgenommen, als es in den meisten Clubs noch nicht thematisiert wurde. Damals hatten wir natürlich die klare Rolle des Artist Care, also jemanden, der*die sich um die Künstler*innen kümmert. Nachdem wir ein paar Mal beobachteten, wie jemand etwas drüber war und jemand anderes versuchte, dies auszunutzen - auch ich habe hier uncoole Erfahrungen gemacht. Also stellten wir uns die Frage: Was ist denn eigentlich mit Guest Care? Mittlerweile arbeiten wir mit einem professionellen extra ausgebildeten Team. Während einer Four Play sind es 20 Leute, die sich im Laufe des Abends abwechseln, mit wachsamen Augen durch den Club laufen; schauen, dass es allen gut geht; im Zweifel das Gespräch suchen, wenn ihnen etwas auffällt und intervenieren wenn sie wahrnehmen, dass Menschen sich in einer unangenehmen Situation befinden. Außerdem verteilen sie Obst und ggf. Wasser. Auch an der Tür werden Besucher*innen bereits gebrieft und über die „Partyregeln“ aufgeklärt.

Inwiefern unterscheiden sich Partys mit Awareness-Team von denen ohne?

Ich finde, du musst nicht mal mit dem Awareness-Team aktiv in Berührung kommen und trotzdem verändert ihre Anwesenheit die Atmosphäre sehr. Das Wissen, dass da Leute herumlaufen, die geschult sind, die wirklich einfach nur dafür da sind um einen Blick auf die Party zu behalten und sich davon auch zu keiner Sekunde ablenken lassen - das ist der erste Schritt für einen Safer Space. Zumal sie es auf so eine positive Art und Weise machen, nicht wie der Türsteher, der sowieso jeden böse anschaut (lacht), sondern sie sind auch dem Dresscode entsprechend gekleidet - trotzdem immer klar durch ihre Westen als Awareness erkennbar - und gehen aktiv auf Menschen zu und schauen, ob bei dir alles okay ist. Man möchte von vornherein natürlich niemandem böse Intentionen unterstellen, aber ich denke, dass man wahrscheinlich gehemmter ist irgendwas zu machen was die Grenze von jemand anderem überschreitet, wenn ein Awareness-Team allgegenwärtig ist.

Wie würdest du einen Safer Space definieren?

Für mich war feiern gehen und in den Club gehen immer schon einen Safer Space aufzusuchen, in erster Linie einen Freiraum, außerhalb von unserem Alltag und der Gesellschaft, in der wir leben mit all ihren Strukturen. Dabei bin ich aber wie gesagt auch viel in Situationen gekommen, die sich nicht so safe angefühlt haben. Deswegen auch der Anspruch, einen Safer Space zu kreieren, also ein Ort, wo keine Grenze übertreten werden wo man nicht erst nein sagen muss, sondern wo man ja sagt. Zudem ein Ort, wo schon an der Tür niemand aufgrund von Herkunft, Geschlechteridentität, generell Identität oder Aussehen abgewiesen wird.

Was macht den Reiz von sexpositiven Partys aus?

Es gibt wahrscheinlich unterschiedliche Anreize. Ich habe mal meinen Eltern, die sich in der Clubwelt überhaupt nicht auskennen, versucht zu erklären, dass ich mich im KitKat komplett frei fühle. Obwohl man so leicht bekleidet ist wie sonst nie, habe ich nicht das Gefühl, irgendwie komisch angeguckt zu werden. Keiner fasst mich ungefragt an und ich finde es wunderschön zu sehen, wenn Menschen so frei sein können, gerade im Kontext mit allen Zwängen, die wir in unserer Gesellschaft haben und bei den Problemen, die wir haben, all den Damoklesschwertern, die so über uns schweben. Da ist es einfach wunderschön, an einen Ort zu kommen, wo jede*r sich frei fühlen kann. Das ist für mich eine ganz ursprüngliche Erfahrung und für mich ist das auch gar nicht so sexuell. Da gehen bestimmt die Anreize der Menschen auseinander, aber ich bewege mich gar nicht durch eine sexpositive Party und nehmen das als wahnsinnig sexuell wahr, sondern einfach frei, normal, normalisiert. Viele kommen sicherlich auch, um nach ihren sexuellen Bedürfnissen zu suchen und hoffentlich dann Spielpartner- oder Partnerin zu finden. Oder sie kommen sowieso schon gar nicht alleine und suchen noch jemanden oder wollen vielleicht auch einfach mal nur ein bisschen gucken, nicht gaffen, aber gucken, sich inspirieren lassen, Phantasie anregen lassen. Natürlich kommt man auch für die Musik und tanzen und ich glaube auch ganz ganz viel Community, also ganz viel soziales. Du weißt, dass du viele Menschen triffst, mit denen du schon einen gemeinsamen Nenner hast, nämlich dass du einen inklusiven, offenen und freien Safer Space möchtest. Es ist eben ein Spielplatz für Erwachsene.

Wer sich selbst mal einen Überblick über einen verspielten Ort für Erwachsene verschaffen möchte, kann am 18.Mai 2023 zur Paradise Garage gehen, oder am 16. Juni 2023 zum siebenjährigen Jubiläum der Four Play im KitKat.