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© Bild: Netflix

Kritik: The Ultimatum – Queer Love (Staffel 2)

Reality-TV als Eskapismus

Die Welt dreht sich derzeit schnell, und dranbleiben fällt schwer. Ein wenig Eskapismus ist da oft das perfekte Pflaster für die geschundene Seele. Für viele ist Reality-TV genau das: ein Ausweg. Kein anderes Genre wird gleichzeitig so gehypt und belächelt. Ob Promi-Paare, die sich in luftigen Höhen gegenseitig beleidigen oder hitzige Diskussionen über Nominierungen – der Einstieg in diese Welt beginnt meist mit Dating-Shows. Doch obwohl es davon unzählige gibt, fehlt oft die queere Perspektive.

Ein queeres Format mit Potenzial – und Problemen

Netflix zeigt sich in dieser Hinsicht vergleichsweise progressiv, auch wenn viele queere Formate nach nur einer Staffel wieder verschwinden. Anders bei The Ultimatum: Queer Love, das es nun in die zweite Staffel geschafft hat. Sechs lesbische Paare stellen sich in Miami (Florida) einem ziemlich absurden, aber spannenden Experiment.

Das Prinzip der Show ist ebenso einfach wie fragwürdig: Eine Person in der Beziehung möchte heiraten, die andere nicht. Die Lösung? Ein Ultimatum. Das Paar trennt sich – zunächst für drei Wochen – und lebt in dieser Zeit in einer Probeehe mit einer anderen Person aus dem Cast. Ziel ist es, herauszufinden, woran es wirklich hakt: am Konzept Ehe, an der Beziehung selbst oder an individuellen Erwartungen. Anschließend geht es zurück zur ursprünglichen Partnerin – ebenfalls in einer dreifachen Woche Probeehe – um am Ende zu entscheiden: Trennung oder Verlobung?

Kurz gesagt: „Du willst dich nicht endgültig an mich binden? Dann such dir mal eine andere Traumfrau und guck, ob du dann merkst, wie sehr du mich eigentlich liebst!“ Natürlich formuliert das niemand so direkt – alle geben sich verständnisvoll und wünschen ihrer (ehemaligen) Partnerin nur das Beste. Doch wie immer im Reality-TV: Die Masken fallen schnell.

Reality-TV ist immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Und auch hier zeigt sich: Die Ehe, Monogamie und klassische Beziehungsmodelle sind längst nicht mehr für alle das Maß aller Dinge. Gleichzeitig wird deutlich, wie sehr diese Konzepte immer noch von patriarchalen Strukturen geprägt sind – auch in queeren Kontexten.

Kritik: Staffel 1 und was daraus (nicht) gelernt wurde

Die erste Staffel sorgte bereits für Kritik. Es gab keine queere Moderation – Joanna García ist zwar sympathisch, aber ein Safer Space sieht anders aus. Ein besonders heikler Punkt war das Thema häusliche Gewalt, das vom Produktionsteam nicht adäquat gehandhabt wurde. Die Täterin durfte sogar an der Reunion teilnehmen.

Auch sprachlich fehlte es an Sensibilität: Alle wurden konsequent mit sie/ihr angesprochen – selbst eine vermutlich nicht binäre trans Person aus einem extrem konservativen Elternhaus. Ihre nachvollziehbaren emotionalen Reaktionen wurden dann noch durch einen klassischen Villain-Cut ins Negative gezogen. Die Antwort der Produktion? Statt besserer Repräsentation wurden vor allem cis Frauen gecastet, das einzige nichtbinäre Paar hatte praktischerweise die Pronomen she/they.

Beziehungen im Fokus: Romantik, Trauma und Love Languages

Ein zentrales Paar in der Staffel waren Britney und Marita. Maritas Partnerin Ashley zeigte sich in ihrer ursprünglichen Beziehung eher distanziert – keine Romantik, keine kleinen Gesten. Britney hingegen, die zufällig mit Marita in der Probeehe landete, brachte Blumen, kochte und plante liebevolle Dates. 

Ein schöner Reminder: Auch platonische Beziehungen dürfen romantisch sein – es geht um die Love Language des Gegenübers. Ashley konnte diese nicht erwidern, was sie mit einer früheren, traumatischen Beziehung erklärte. Wenn man nicht in der Lage ist, eine kleine Geste wie einen Blumenstrauß oder Schokoriegel mitzubringen, braucht man vermutlich noch Zeit zur Heilung. Eine neue Beziehung darf kein Pflaster sein.

Konkurrenzdenken – ein toxischer Beziehungsdynamik-Test

Ein weiteres Beispiel: AJ und Britney, Maritas Ehefrau auf Zeit. AJ konnte schwer akzeptieren, dass Britney beruflich erfolgreicher war – sie wollte nicht nur mithalten, sondern auch ständig im Mittelpunkt von Britneys Aufmerksamkeit stehen.

Trotz allem endete ihre Geschichte mit einer Verlobung. AJs Ehrgeiz scheint geweckt, aber warum wird in Beziehungen überhaupt so viel verglichen? Der Erfolg der Anderen kann doch auch anspornen, zu sehen, was schaffbar ist.

Langweilige Staffel mit vorhersehbaren Entwicklungen

Die zweite Staffel war – trotz spannendem Konzept – eher langweilig. Es wurde ein bisschen betrogen, ein bisschen fremdverliebt. Haley und Magan zum Beispiel gestehen sich ihre Liebe, kehren am Ende aber zurück zu ihren ursprünglichen Partnerinnen. Haleys Freundin Pilar, mit der sie seit zehn Jahren zusammen ist, hilft ihr beim Liebeskummer – wenn das keine echte Partnerinschaft ist?

Fehlende Diversität

Was auffällt: Erstens, über verschiedene Geschlechtsidentitäten wird kaum gesprochen. Zweitens, alternative Beziehungsmodelle – etwa Polyamorie – finden so gut wie keinen Raum. Pilar war die Einzige, die dem Künstler*innenpaar Kyle und Bridget offen gegenüberstand. Man sah sie schon fast zu dritt die Show verlassen – leider nur fast. In Deutschland sorgte bei Princess Charming eine ähnliche Situation für Diskussionen: Die polyamoren Kandidat*innen trafen auf eine monogame Prinzessin – in den USA scheint man solche Themen lieber gar nicht erst zu thematisieren.

Ein bisschen Mut wäre schön gewesen

The Ultimatum: Queer Love 2 hat ein spannendes Konzept und das Potenzial, echte queere Lebensrealitäten abzubilden. Doch am Ende bleibt die Staffel zahm, teilweise langweilig und meidet wichtige Themen wie Geschlechtervielfalt und alternative Beziehungsformen.

Vielleicht wäre es an der Zeit, nicht nur zu casten, was „angenehm“ erscheint – sondern auch Raum zu geben für echte Diversität, Reibung, Veränderung und Wachstum. Das wird in diesen USA aber vorerst nicht möglich sein.