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© Bild: Cotton Bro

Mastektomie: Wenn der eigene Körper zur Kostenfrage wird

Eine Mastektomie ist eine geschlechtsangleichende Operation, bei der das  Brustdrüsengewebe entfernt wird. Sie ist für viele Menschen in Transition ein zentraler Schritt, weil sie eine tiefgreifende Kongruenz zwischen Körper und Geschlechtsidentität schafft und eine Geschlechtsdysphorie reduziert, die durch sichtbare oder fühlbare Brustformen ausgelöst wird.

Wer aber eine Mastektomie in Betracht zieht, steht oft vor einem Berg aus Formularen, unklaren Zuständigkeiten und widersprüchlichen Informationen. Wann übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die Kosten? Welche Unterlagen sind notwendig? Und an wen kann man sich überhaupt wenden?

Nach dem Selbstbestimmungsgesetz: Rückschritt statt Reform

Mit dem Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes am 1. November 2024 verbanden viele Betroffene Hoffnung auf Vereinfachung und Entlastung. Stattdessen sorgt ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2023 für Unsicherheit: Geschlechtsangleichende Operationen gelten seither nicht mehr automatisch als Kassenleistung.

Im konkreten Fall hatte eine nicht-binäre Person vor dem Sozialgericht gegen deren Krankenkasse geklagt und vorerst gewonnen. In der Revision wurde das Urteil aufgehoben – das Bundessozialgericht (BSG) forderte den Gesetzgeber oder den Gemeinsamen Bundesausschuss auf, eine Neuregelung zu schaffen. Bis das geschieht, bleibt unklar, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen die Kassen zahlen.

Eine Frage des Geldes – und der Haltung

Eine Mastektomie kostet in Deutschland zwischen 5.000 und 7.000 Euro, komplexe geschlechtsangleichende Eingriffe bis zu 15.000 Euro. 2023 gab es bundesweit 1.241 Operationen bei trans Männern (zu nicht-binären Menschen gibt es keine expliziten Zahlen) – ein verschwindend kleiner Anteil im Milliarden-Etat der Krankenkassen. Natürlich kann man hier nicht für alle Kassen sprechen, aber im Grunde ist man froh über jeden Cent, den man nicht zahlen muss.

Dabei bedeutet die Geschlechtsangleichung für viele Betroffene psychische Gesundheit – es geht nicht um Schönheitschirurgie. Menschen mit Körperdysphorie leiden deutlich häufiger an Depressionen und Suizidgedanken. Gleichzeitig erleben viele trans und nicht-binäre Personen kein Leid durch ihren Körper, sondern durch gesellschaftliche Ablehnung. Geschlechtsidentität ist vielfältig – und nicht auf Dysphorie reduzierbar.

Medizinische Varianten und Risiken

Die chirurgischen Verfahren unterscheiden sich je nach Brustgröße und Gewebe. Bei kleineren Brüsten kann das Gewebe über die Brustwarzen entfernt werden, sodass keine Narben entstehen. Bei größeren Eingriffen bleiben horizontale Narben, die mit der Zeit verblassen oder unter Brusthaar verschwinden können. Wie bei allen Operationen gibt es Risiken. Eine ausführliche Beratung ist deshalb unverzichtbar – sowohl medizinisch als auch psychologisch.

Detransition: Realität ohne Panikmache

Oft wird eine Detransition, der teilweise oder vollständige Rückgang zum früheren Erscheinungsbild, als Argument gegen Transitionen verwendet. Diese Annahme und dessen mediale Inszenierung wird jedoch von vielen kritisiert: Denn nur rund 0,3 bis 2 Prozent der operierten Personen entscheiden sich später für eine Detransition. Diese Zahlen stammen aus internationalen Studien – belastbare deutsche Erhebungen fehlen bisher. Die Motive sind vielfältig: Manche erkennen im Laufe der Zeit andere Ursachen für ihr Unbehagen, bei anderen spielen gesellschaftlicher Druck, Diskriminierung oder mangelnde Unterstützung eine Rolle. Fest steht, für die Mehrheit der Operierten bleibt der Eingriff hingegen ein befreiender und bestärkender Schritt.

Ausland als Option

Da die Kassen eine Leistungsübernahme verweigern (und es lange Wartezeiten gibt), sehen sich viele Personen in Transition gezwungen, die Operation im Ausland vorzunehmen. In der Türkei beginnen die Preise bei rund 2.000 Euro, in Tschechien liegen sie bei 2.500 bis 7.000 Euro, in Portugal zwischen 4.000 und 5.000 Euro. Entgegen verbreiteten Vorurteilen arbeiten zahlreiche internationale Kliniken mit hoher Sensibilität und Erfahrung im Bereich trans Gesundheitsversorgung – teils offener als deutsche Einrichtungen, auf deren Websites noch Begriffe wie „Geschlechtsumwandlung“ auftauchen.

Queere Medizin unter Druck

Eine große Herausforderung bleibt der Zugang zu queerfreundlicher Medizin. Viele Listen mit empfohlenen Ärzt*innen, Therapeut*innen und Beratungsstellen sind veraltet, weil ehrenamtliche Initiativen überlastet sind. Besonders in Berlin trifft die Kürzungspolitik des Senats queere Projekte, die diese Arbeit leisten, hart. Deshalb gilt: Frühzeitig Termine sichern, sich über Netzwerke austauschen und gegenseitig unterstützen. Der Weg zu körperlicher Selbstbestimmung ist nach wie vor kein leichter – aber er wird gemeinschaftlich gegangen.