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#OSCARSsoQueer

Eure PINKDOT-Redakteurinnen Rike & Baffi sind eben in die dritte Staffel ihres Filmpodcasts Q*INO gestartet, in dem nicht nur queere Filme, sondern auch Filme queer besprochen werden. Und wie schon im letzten Jahr und 2022, werden die Zwei wie besessene Kätzchen auch in dieser Kinosaison dem unwiderstehlichen Funkeln aufgeregt folgen, denn der Strahlkraft der Academy Awards können die beiden Queers nichts entgegen setzen außer völlige Selbstaufgabe und totale Hingebung zum Glitzer. Die Oscar-Nominierungen ’24 sind raus, und ab geht die Lutzi!

Welche Filme auch immer in Berlin/Cannes/Venedig gefeiert wurden, oder was die großen kommerziellen Hits waren: Es bleibt die Oscar-Verleihung, bei der sich das Weltkino trifft, auf ausgerollten Teppichen üppige Fashion-Statements setzt und Zehntausende Filmschaffende aus 93 Ländern darüber abstimmen, welche deren beliebteste Filmleistung des Jahres war. Dass dabei der Durchschnitt oft nur Mittelmaß ist, liegt in der Natur demokratischer Abstimmungen, aber das soll uns nicht an der kultischen Verehrung des Goldenen Kalbes hindern, das dieses Jahr unwirklich-queer ausgeschmückt ist.

Queere Oscar-Auslese: Als Bester Film nominiert sind „Maestro“, „Barbie“, „Anatomie eines Falls“

Ob der Wandel an den neuen Academy-Regeln liegt – ab diesem Jahr können nur Filme nominiert werden, die marginalisierte Personen und Themen inkludieren – bleibt Spekulation, denn es gibt keinen Grund zur Beschwerde: Die Hälfte der „Besten Filme des Jahres“ schwenken die Regenbogenflagge, allen Voraus die Bi-Storys Maestro über Klassiklegende Leonard Bernstein und Cannes-Gewinner Anatomie eines Falls. Die wenig verschleierte Queerness im Millarden-Erfolg Barbie inklusive Nominierungen für Ryan Gosling als schwul-kodierten Ken, America Ferrera als barbie-verzauberte Curious Mom und die Ballade der bisexuellen Billie Eilish bezieht ebenfalls Position; nicht zuletzt gegen den Leinwand-Boycott in der muslimischen Welt, der sich v.a. gegen die vermeintliche Homo-Propaganda und die trans Schauspielerin Hari Nef richtete. Wenn die Hisbollah deinen Film nicht mag, musst du scheinbar was richtig gemacht haben.

Unser Trickfilm-Favorit ist selbstverständlich das queere Netflix-Abenteuer Nimona, und dass die lesbische Indie-Legende Christine Vachon (Bester Film, In einem anderen Leben) und Komponistin Laura Karpman (Beste Musik, American Fiction) ihre ersten Oscars entgegen nehmen könnten, lässt uns natürlich erbeben. Aber in diesem Jahr wird noch eine LGBTIQ*-Schippe draufgelegt: Dass Heteros in queeren Rollen brillieren (wie die nominierten Bradley Cooper, Annette Bening, Sterling K. Brown) ist nicht neu. Dass die offen nicht-binäre Lily Gladstone als Leonardo DiCaprios Ehefrau in Killers of the Flower Moon (und erste indigene Schauspielerin überhaupt) als Favoritin ins Rennen geht, schon eher. Zur Identitätendebatte bei der Besetzung von queeren Rollen mag man stehen wie man will, aber dass Hollywoods Lieblingsbutch Jodie Foster als lesbische Trainerin im L-Drama Nyad (ihrer ersten lesbischen Rolle überhaupt) und der schwule Colman Domingo als Homo-Ikone in Rustin im Oscar-Rennen sind, ist hoffentlich der Beginn einer neuen Normalität, in der Queers auch Queers spielen.

Queere Oscar-Nominierte 2024: Colman Domingo, Lily Gladstone, Jodie Foster

Bei all dem bunten Konfetti sind Rike & Baffi aber nicht nur queer, sondern auch ostdeutsch. Daher ist der Triumph von Sandra Hüller unser Highlight: Geboren 1978 im DDR-Bezirk Suhl, ausgebildet an der Ostberliner Ernst-Busch-Hochschule und erste Theatererfolge in Jena und Leipzig, gehört sie seit ihrem Leinwand-Debüt in Requiem (2006) zu den wichtigsten Schauspielerinnen Europas. Dass sie jetzt für ihre queere Rolle einer ostdeutschen Autorin in Anatomie eines Falls als erste Deutsche seit Marlene Dietrich nominiert wurde, wird diese Oscar-Verleihung zu einem Trinkfest sondergleichen machen. 

Überhaupt schnitt Deutschland so gut ab wie nie zuvor in 96 Jahren Oscar-Geschichte: Der deutschsprachige Auschwitz-Thriller Interessengebiet (der zweite Hüller-Film im Rennen) erhielt wie Anatomie fünf Nominierungen inklusive für die beste Auslandsproduktion, und zwar neben dem Lola-Erfolg Das Lehrerzimmer von İlker Çatak und Perfect Days von Altmeister Wim Wenders. All die Nominierungen wurden an diesem Dienstag vorgelesen von Hollywood-Star Zazie Beetz, die in Berlin-Mitte aufwuchs, und machte zwei Q*INO-Podcasterinnen sehr glücklich.

Es stehen aufregende Wochen bevor, und PINKDOT wird euch mit allen filmischen Queer-Infos versorgen, Butch-Ehrenwort.